Autor/Zeichner: Jiro Taniguchi
Neuauflage 2012, Carlsen Verlag (1995, „Aruko Hito“)

Beim lesen des Vorworts hat sich eine innere Blockade aufgebaut – zu viel Lobhudelei für meinen Geschmack. Doch muss ich auch zugeben, den Manga in einem Moment unsteter Emotionen aufgeschlagen zu haben. Nach der Beendigung habe ich verstanden, woher die gute Meinung kommt.
Der spazierende Mann ist etwas, dass ich mit fortschreitendem Alter immer mehr zu schätzen lerne: ein lauter Schrei aus einem geschlossenen Mund.
Der Leser begleitet einen namenlosen Japaner durch ein paar Augenblicke in seinem Leben in denen er – no na – spaziert. Manchmal hat der Namenlose ein Ziel, oft improvisiert er. Während er durch die Vorstadt einer ungenannten Stadt flaniert, teilt er seine Wahrnehmung mit dem Leser. Worte werden dabei nur wenn es notwendig ist genutzt, und dann nur im Dialog mit anderen Figuren – die Leser bleiben die ganze Zeit Beobachter, welche sich selbst „ein Bild machen müssen.“
Die scheinbare Hypersensibilität der namenlosen Spaziergängers könnte auch dem Umstand entspringen, dass seine Frau und er vor kurzem in die Vorstadt gezogen sind, und er nun ein Gefühl für die neue Umgebung bekommen möchte – eingebettet in das Klischee, welches wir von den Bewohnern Japans haben: Menschen, die bei jeder Handlung mit Geist und Körper voll anwesend sind. Für die Dauer des Lesens könnte man eine Idee davon bekommen, wie dieser Zustand für einen Selbst sein könnte.
Ein großer Kritikpunkt liegt beim Verlag: da prangert „Graphic Novel“ gut lesbar auf dem Cover. Und wenn es Leute dazu bringt, den Band zu kaufen – Juhuu. Gleichzeitig geht es mir das Buzzword auf die Nerven.