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Selbst ist der Ikonoklast

Kirby fragte, ob ich schon einen Dieb sah. «Jeden Tag.» antwortete ich, «Und du auch.» Da schraubte er seine Aufmerksamkeit merklich nach oben «Wirklich? Wen? Was hat der Dieb gestohlen?» fragte er, und zog dabei an meinem Unterarm. «Ich bin ein Dieb.» gestand ich.
An seiner Mimik konnte man mitansehen, wie dieser Satz ihn anstrengte, ihn zum Verzweifeln brachte. Ich erklärte ihm die Geschichte dazu, aber verstanden hatte er sie zu diesem Zeitpunkt nicht.
Die Frau sagte mir daraufhin, es ist immer wieder schön zu sehen, wie ich meine Denkmäler mit Gusto von ihren Sockeln stoße.

Und wer ebenfalls wissen möchte, warum ich vor langer Zeit zum Dieb wurde:
Meine berufsausbildende Schule hatte einen jährlichen Bücherflohmarkt. Mit 16 beschloss mein sozialer Zirkel—bedingt durch einen Mangel an Alternativen—in der Freistunde vorbeizuschauen.
Beim stöbern fanden wir etwas, dass bei uns Halbstarken ideal als Zusammenfassung unserer komplexbehafteten Charakteren neben dem Totenkopfaschenbecher—als Nichtraucher waren es bei mir okkulte Schriften—ins Bücherregal passte: das Reichshandbuch der Flugtechnik; komplett mit allen—damals noch—verbotenen Symbolen. Die Bibliothek meinte 200 Schilling—bei 15 Euro—wären ein angemessener Preis. Wollte natürlich keiner zahlen; selbst ich, durch den Verzicht meiner Eltern und Großzügigkeit meiner Großeltern, finanziell sorgenfreies Arschloch.
Die kurze Fassung: ich war dann der, der das Buch in seine Manteltasche gleiten ließ.
Die lange Fassung: Jemand aus meinem sozialen Zirkel borgte sich das Buch noch am selben Tag, und verkaufte es an einen seiner braunäugigen Freunde. Dafür bekam er seine Nakedeihefte nicht zurück, sondern ich entsorgte sie, als ich später meine erste feste Freundin hatte.

*Klirr*

Einer muss es ja sein


[ journal ]

Ein Lehrling wurde vor kurzem zum Kollegen befördert, und als „Gratulation“ durfte er mir gleich eine große Materiallieferung zusammenstellen, weil ich kurzfristig einen Umbau vermittelt bekam. Die Sache wäre eigentlich recht einfach zu bewerkstelligen, wenn der Kunde nicht darauf bestehen würde, teile seines Inventars zu benutzen—wir hätten es ohnehin nicht in Rechnung gestellt, aber was solls.
Ich setzte mich also nachts an den Umbauort, bereitete schon vor was möglich war und schrieb ein paar Notizen dazu für die Tagschicht auf.
Und alles wurde umgeworfen weil ein Kollege der Audiologen meinte „Ein 16A CEE Anschluss gibt ja 11kW her, wieso brauchen wir dann so viele Anschlüsse?“ und der Tagschichtkollege meinte „Ja, da hast du volkommen Recht.“ „Aber nicht auf jedem Anschluss.“ vergaß er in dem Moment anzufügen. Jedenfalls ist mein Plan, von einzeln abgesichterten Stromkreisen dahin … wozu tue ich mir die Scheiße noch an? Mir ist bewusst, keiner der Stromkreise wird voll belastet sein; wenn dann aber einer, wegen was auch immer, ausfällt, ist das Problem mit einem Blick zu sehen.
Aber so war die Geschichte einfacher zu bauen. Wenigstens stand der Mist schon, als ich Abends den Dienst antrat. Meine Materialbestellung war damit für den Hugo…

Der fachkundigere Kollege war letztens auch darüber erstaunt, wie ein FI sich verhält wenn Erde und Nullleiter aneinandergeraten.
Ich weiß auch nicht alles … aber der Kerl hat Großanlagen entworfen und gebaut.

Beim nächtlichen Marsch nach Hause, sah ich wie der Betreiber eines Geschäfts—jedenfalls vermute ich, dass er dies war—die unbenutzte Fläche alternativ nutzte: er reparierte Motorräder. Über die ganze Fläche des Geschäftslokal waren Werkzeug und Teile rund um zwei Motorräder verteilt. Der Mechaniker wirkte gelassen. Oder wollte er nicht vor mir durchdrehen; nein, bleiben wir bei gelassen. Einer muss es ja sein.

gut geölt

[ journal ]

In letzter Minute wurden zwei große Projekte aus der Planungs- in die Umsetzungsphase gerückt; was bedeutete, dass es im Kollegium rund geht.
Theoretisch, denn mit den steigenden Infektionszahlen wurden Verschärfungen angesagt, und von deren Verkündung hängt gerade einiges ab.

In der Zwischenzeit realisierten wir alle, wie rostig wir geworden sind. Bis auf die Ketten unserer Kettenzüge—es war eine grandiose Idee diese beim letzten Service gut einzufetten…bei 16 Geräten mit einer Hebeleistung von einer Tonne die 20 Meter langen Ketten hochzuziehen war mir nach drei Stück zu blöd, und ich entschied, sie einzufahren. Der Kollege und ich hatten je nur ein Paar Handschuhe dabei, und die glänzten vor Fett. Dann muss man beim nächsten Job einfach fünf Minuten länger warten. Es ist ja nicht so, als hätte die Produktion das zusätzliche Material und Personal um einen Tag verzögert ankommen lassen, um Kosten zu sparen.

Beim nächsten Service werden wir die Ketten weniger gewissenhaft schmieren.
Und ich werde in der Zwischenzeit mehr Treppenhäuser erklimmen um meine Unterschenkel zu stärken.

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Kirby meint, ich arbeite in einem Zoo, wo ich Bären streichle und Giraffen füttere. Und ich kann anscheinend alles reparieren. Das Kind bereitet sich eine große Enttäuschung vor.

Das Verabreichen der Antibiotika bricht mir jedes Mal das Herz. Inzwischen verhandelt er schon damit, sich freiwillig die Zähne putzen zu lassen wenn wir die Medikamentengabe auslassen.

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Auf Empfehlung eines Bekannten begann ich Inside the Star Wars Empire: A Memoir zu lesen. Darin erzählt Autor Bill Kimberlin über seine Zeit bei der Lucasfilm Effektfirma Industrial Light and Magic. Es ist witzig zu lesen, nicht Star Wars zentriert wie das Cover vermuten lässt, aber es muss sich irgendwie verkaufen.

Der zweite Star Wars Archives Band, welcher die Prequels von 1999 bis 2005 abdeckt, erscheint dieser Tage. Eigentlich hatte ich das Geld dafür schon bei der Veröffentlichung vom ersten Band angespart…ich verstehe den Sinn der Filme und wieso sie ein Publikum fanden, aber die Ausführung kam bei mir nicht an. Spannend wäre zu wissen, was George Lucas sich so alles zu den Filmen dachte; was man eventuell in dem im Buch enthaltenen Interview mit ihm erfahren könnte. Aber es tut halt 150Euro lang weh…
Ich denke es ist ein langwieriger Weg zu sagen: Nein, du brauchst es nicht—ließ einmal den ersten Band zu Ende.

Aha, Mhmm

Im Moment bin ich „menschenmüde“.

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In einem Interview mit einem Künstler, dessen Kunst ich schrecklich, aber Person ich mag, fiel dieser mir ungewohnt ungut auf: er machte Werbung für seinen Podcast. Ein notwendiges Übel, wo soll man sonst Werbung für seinen Podcast machen, wenn nicht in einem Podcast? Ist eine persönliche Sache von mir, geht aufs Haus.
Die Grausbirnen stiegen mir auf1, als er davon sprach, seine Vorurteile gegenüber Influencern verloren zu haben, nachdem er ein Gespräch mit welchen führte. Aber, der Mann hat Vorurteile abgebaut, ich kann das auch—und schaute mich nach den genannten Beeinflussern um.
Ich brach das anhören des Interviews daraufhin ab. Diese Personen haben—objektiv—keine Tiefe.
Man muss sich auf Leute einlassen…das weiß ich aus eigener Erfahrung. Mag sein, das die Leute im Gespräch als tiefsinnige Feingeister entlarvt werden könnten, aber diese erste Schicht an Wahrnehmung, ist ein Maschinengewehr der Inszenierung, welches einen mit Dauerfeuer den Verstand zerstückelt. Die einzige fühlbare Intention ist Anbiederung.
Vielleicht ist es auch das Alter. Oder das ich einfach ein Ungustl2 bin.

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Der Webhost für die Internetpräsenz des Podcasts3 möchte die Kosten für das kommende Jahr gedeckt wissen—ansonsten fliegen wir vom Server. Ich bin mir nicht sicher ob ich die Sache nicht einfach auslaufen lasse. Niv meldete sich in den letzten Monaten nicht mehr bei mir, kann verstehen, dass der als in den USA lebender Mensch gerade eigene Sorgen hat.
Falls dem aber nicht so ist: Wieso muss ich immer auf die Menschen zugehen? Ich will mich nicht dauernd um Sachen kümmern müssen.

Meine Großmutter erinnerte sich dafür daran, das ich eine Zeitschrift für Sie abonniert hatte. Das wollte ich nun auf Ihren Wunsch hin kündigen—nur gibt es dabei eine Hürde: Das damals von mir angelegte Benutzerkonto ist nicht auffindbar. Ich erhielt auch keine Bestätigungsnachricht…oder habe diese Gelöscht, weil der Kopf entschied „Brauchst nicht, ist für die Oma.“
Sie fragte mich außerdem, ob ich jemanden kenne, der Interesse an dem Agfa Family4 Sachen hätte. Ein Blick in diverse Verkaufsportale zeigte mir, das man die Sachen teilweiße um den Preis der Fahrscheine für die Benutzung des öffentlichen Verkehrs handelt. Ich möchte die Kameras und Betrachter am liebsten behalten. Ein paar der Familienfilme dazu und Ersatzlampen für den Betrachter besorgen…und dann nie wieder angreifen, weil der Gedanke daran, die Filme wieder zu betrachten tröstender ist, als der Akt selbst.

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Tausend Zeilen Lüge von Juan Moreno ist ein Buch, das mich packte, und durch seinen Text zog. Darin berichtet der Autor davon, wie er den Stein ins Rollen brachte, der Claas Relotius Lügenkonstrukte zu tage brachte5. „Bist du gscheit, Oida, Na hearst, Geh scheissen“, entkam mir beim lesen manchmal—einmal in Kirbys Kindergarten. Es wühlte mich auf und beruhigte mich zu verfolgen, wie dieser Mann die Leute vorführte. Ich denke nicht mit vollends arglistiger Intention, sondern von der Warte „Ist eine Lüge denn verwerflich, wenn man jemanden damit ‚hilft‘?“ her. Er erhielt Preise, die Leute Unterhaltung/Bildung/eine Festigung ihres Weltbilds.
Ich war gut unterhalten. Vom Buch—ich hatte bis dahin keinen Relotius Text gelesen.
Ob ich dem Journalismus nun paranoider als zuvor gegenüberstehe, traue ich mich nicht zu sagen.

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Kirby mag seine Spielzeugmülltonnen.
In letzter Zeit erzählte er viel. Ich wünschte, zu verstehen was er sagte, weil ich gerne mehr als „Aha, Mhmm und Wirklich“ zum Gespräch beitragen wollte.

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Ich entwickelte die Rolle Acros II, welche ich um zwei Blenden unterbelichtet hatte.
Mit Erfolg.
Also, man erkennt etwas auf den Negativen. Ich wunderte mich, hatte ich doch zuvor noch gelesen, dass Acros sehr empfindlich ist, und ich nach Gefühl die Verweildauer des Films im Entwickler bestimmte.

Durch Zufall fand ich einen „brauchbaren“ Negativscanner in den Kommentaren eines Fotografieblogs.
Seitdem frage ich mich nach der Sinnhaftigkeit der Investition. Wie lange werde ich das Hobby in dieser Form betreiben? Wäre das Geld besser in einer Kamera angelegt? Stecken meine Ziele zu hoch? Und über all dem liegt ein Wort: Wozu?
Die Fotografie ist für mich eine Art des Ausdrucks—eine Sprache. Jedoch scheint keiner meinen Dialekt zu verstehen oder zu mögen. Ich führe ein Selbstgespräch.

1– „mir steigen die Grausbirnen auf“ = es erregt Ekel
Es gibt auch eine Mostbirnen Art die Grauß heißt.
2– unsyhmpathischer Mensch
3– Asteroids in Exile —asteroidsinexile.com
4– Agfa Family —super8wiki.com
5– Class Relotius —wikipedia.org