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spontane Existenzangst

2021-09-5/Journal

Ein Bekannter aus England erzählte davon, dass sich das Leben auf der Insel momentan wie die Geschichten seiner Bekanntschaften anhört, die ihre Kindheit und/oder Jugend in Ostdeutschland verbrachten.
Der Müll wird nicht mehr abgeholt, im Supermarkt steht man vor Platzhaltern die volle Regale suggerieren solle , und jede Anschaffung wird behandelt, als wäre es die letzte—in seinem Fall verabschiedete sich der Eiskasten.

Dazu kamen die Zahlreichen Artikel darüber, dass die hohe Inflation ja auch eine Chance sei—für wen?—, die an meinen Strand gespült wurden.
Wir werden auch heuer wohl mit einer Nulllohnrunde nach Hause gehen, wie soll es ohne neue Aufträge auch anders sein.
Kollegen aus dem Norden warnten uns bereits vor Beginn des Sommers: «Kunst bringt kein Geld mehr, die Leute wollen saufen.»

Und auch wenn ich das Verlangen nach Alkohol nicht nachvollziehen kann, meine ich, den Drang dahinter nun besser zu verstehen.

glücklich?

[ journal ]

Die letzten paar Tage waren anstrengend. Der von mir nach Hause geschickte Kollege fällt noch eine Weile aus,
ein anderer fiel nach einer Dienstzusage mit einem plötzlichen Wiederruf und darauf folgendem untertauchen auf,
der Kollege aus der Nachtschicht hatte nicht die notwendige Muse um zu schaffen,
Materialermüdung,
Geldgeber, welche die Regisseure durchdrehen lassen,
Fremdfirmen, die trotz leerer Lager Aufträge annehmen,
die Realisation das man seine Homebrew Tracing App nicht willkürlich jedem aufzwingen kann
und darüber der Druck des immer wahrscheinlich werdenden Herbst/Winter in italienischen Verhältnissen und der damit einhergehenden Bedrohung unserer wirtschaftlichen Existenz—das zehrt.

Ein Kollege macht mir momentan zu schaffen…wie soll man mitteilen, dass es schwer ist Ihm zu glauben, dass er in der Produktentwicklung arbeitete? Dazu ist er nicht fokussiert genug bzw. sind seine Lösung…kreativ. Signalkabelentlastung? Kein Problem, einfach da über die Kante spannen und mit einem Schaltkasten verkeilen. Und man wundert sich, wieso wir so viele Kabel auf dem Reparaturstapel haben. Signalveratärker auf 200 Meter Leitungslänge—wozu? Dazu kommt: achtmal 200 Meter Kabel, anstatt einmal zehn Meter Patchkabel…es könnte so einfach sein. Ich will mich nicht in ein besseres Licht stellen—ich habe gestern einen Scheißdreck zusammengebaut den hoffentlich keiner sehen wird, weil es einem dann die Hornhaut von den Augäpfeln schälen wird—, aber sonst läuft niemand aus der Abteilung herum und erzählt von Produktentwicklung und spielt eine Runde Bullshit-Bingo nach der Anderen.
Aber ich muss dem Kollegen wieder hoch anrechnen, dass er trotz schwerer Verletzung, eingefaschnt1 zur Ablöse erschien und mich nach Hause schickte.

Einer der Regisseure verabschiedete sich von mir, weil er die Berufung wechselt. In den letzten Monaten realisierte er, wie sehr die Vergänglichkeit in unserem Job ihm zu schaffen macht, weswegen er in den Gesundheitsbereich wechselt.
Der ist auch momentan am boomen—ließ ich mir sagen.

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Die Frau schenkte mir die „kleine“ Ausgabe der Star Wars Archives ep. IV-VI. Bei lesen der großen Ausgabe schlafen mir immer die Beine ein…das sind Probleme.

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Kirby fragte mich „Papa glücklich?“ „Relativ.“ antwortete ich.


1.. verbunden

138 :: Beinarbeit

Bei der Aufsichtsratssiztung der Wien Holding wurden „große“ Konzerte mit Mitte 2021 in Aussicht gestellt. Hoffentlich können Kleine stattfinden. Aber selbst wenn sie es könnten, wie steht es um die Kriegskassen der Künstler und Veranstalter?
Der Chatraum der Liebhaberkollegen ist inzwischen ein Selbsthilfegruppe, in der wir uns gegenseitig den Puls ‘runterklopfen.

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Kirby hat versucht, mir den Tanz aus seinem Kindergarten beizubringen. Die Handbewegungen stimmen, meine Beinarbeit ist anscheinend enttäuschend.


138-2019 | 138-2018

11mar20

[update 14mar20: Bild zu Ginseng Roots no.2 (2019) hinzugefügt]

Dreiundzwanzig Jahre – das ist die Summe der Jahre, die Harvey Weinstein im Gefängnis verbingen wird.
Ich möchte nicht über Schuld und Unschuld diskutieren, dass hat das Rechtssystem bereits erledigt; und auch eine Diskussion über dessen Fehlbarkeit ist ein Wetzstein für intelligentere Geister.
Ich frage mich nur: Ist das Gerechtigkeit, und wird noch eine Person in ähnlicher Weise auffliegen? Der glaube an Karma oder der Satz „Das wird der Person noch alles in den Rücken fallen.“ sind die Mantras derer, die Wehrlos sind. In diesem Fall ist es jemanden in den Rücken gefallen, aber es ist doch ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Menschen, die das System aufgbeaut haben und am funktionieren halten, sind im Dienst, und genug Menschen mit Träumen, für deren Manifestation sie Leid und Erniedriegung in Kauf zu nehmen bereit sind, sind in diesem Moment auf dem Weg nach Tinseltown[1].

professioneller Alltag

Was für ein Tag…durch die Beschränkungen der Personanzahlen ist die Veranstaltungsbranche – „im Arsch“ klingt noch zu gut. Viele Firmen mit denen wir zusammenarbeiten stehen mit beiden Beinen im Arsch – und obwohl uns Sicherheit für harte Zeiten versprochen wurde, haben wir gestern etwas anderes gehört.
Unsere Arbeitsplätze sind – noch – sicherer als die, unserer „externen Fachkräfte“. Gegen das allgemeine Unbehagen, und den Satz „Längere Einkommensausfälle können wir uns nicht leisten.“ kann man damit aber nicht anstinken.
Und dabei sind die Schulen noch nicht einmal geschlossen. Ein paar Kollegen sind Alleinerziehend und haben unter 14 jährige Kinder zu Hause. Böse Zungen erzählen bereits, dass die Kollegen nur „frei feiern“ wollen.

Fotografie

Die Scans der Rolle Film, die ich am Wochenende ausbelichtet habe, sind angekommen – und die schauen relativ gut aus. Die paar „architektonischen“ Bilder sind sogar halbwegs brauchbar. Das Gefühl für die korrekte Benutzung des Grenzrahmens im Sucher könnte ich mir noch aneignen – die Bilder wirken „verzogen“.
In meinem Taumel habe ich eine Rolle Kodak Tri-X400 eingelegt.

: Comics

:: Ginseng Roots no.2 (2019)

Bleibt sehr gut. In Heft Nummer zwei geht Autor und Illustrator Craig Thompson tiefer auf die Menschen ein. Der Vorhang zu seinem Leben wird ein wenig weiter geöffnet, und erlaubt uns einen Blick auf eine Überraschung. Was mir gefällt, ist die Art mit der er mit der Menschen kommentiert, aber dabei nicht be- oder verurteilt.
Und dann ist da wieder diese…Poesie. Ein Anflug von Schicksal, als wäre er unbewusst einem Pfad gefolgt oder entlanggeführt worden, an dessen Rand unter anderem ich sitze, und dieses Heft in Händen halte.

ginseng-roots-no-2-list-of-harvesters-work
aus Ginseng Roots no.2 (2019)
Bildrechte liegen beim Inhaber

fußnoten

[1] Hollywood
–en.wikipedia.org