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aktenkundig

:: journal ::

Nachdem ich am vergangenen Montag den Weg zum Arbeitsplatz in seiner Gesamtheit zu Fuß bestritt um die Sonne genießen zu können, war ich gestern über den plötzlichen Schneefall überrascht.

Es war die kleinste Überraschung in den letzten Tagen.

Wie ich bereits erwähnte, „wir“ sind in Quarantäne. Eine Kollegin der Frau wurde nach plötzlichem Geruchs- und Geschmacksverlust positiv auf Covid19 getestet—nach dem Contact Tracing wurde die halbe Einrichtung stillgelegt. Bis auf ein Therapiekind der Frau, riefen alle bei der Hotline an, und ließen ihre Anteilnahme ausrichten.

Ich raufte da schon seit einiger Zeit mit einem leichten Schnupfen, der sich plötzlich in seiner Wirkung potenzierte. Ein Anitgentest bei einer Schnupfenbox sagte „negativ“; der Hausarzt sagte »Bleib daheim.« Man trieb schnell eine Vertretung für mich auf, und informierte mich darüber, dass unser Unternehmen an einem Projekt der Stadt Wien teilnimmt: PCR Tests für zu Hause, welche man bei einer Drogeriekette abgiebt. Funktionierte überraschend gut—selbst die Software scheint recht wenig von einem Wissen zu wollen.
Zeitgleich wurde meinen Eltern ein Absonderungsbescheid erteilt. Die halfen Bekannten, alle vier Beteiligten ließen sich am selben Tag per Antigen Test negativ zertifizieren, mit dem Ergebnis das die Bekannten zwei Tage später Symptome zeigten. Als ich erwähnte, dass man dieser Tage das Dankeschön-Mittagessen auslässt bzw. im „fremden“ Innenbereich eine Maske trägt, gerieten wir in Streit. Aber ich ließ mich die Tage davor von meinen Eltern die aktuelle Situation meines Covid19-Verwandten erzählen; der wird momentan auf einer Intensivstation betreut, weil er sich bei der Reha etwas resistentes eingefing. Ich sorge mich um meine Eltern, und ich hatte genug davon, immer die Kritik über den Umgang „der Jungen“ mit der Situation zu hören, wenn man selbst ebenso handelt. Momentan kämpfen meine Eltern um eine Verkürzung der Quarantäneperiode. Ist ja eine Frechheit, zehn Tage in einem Haus samt Garten verbringen zu müssen. Wir hocken zu dritt in einer Wohnung ohne Balkon und müssen Programm für ein Kind gestalten, welches sich gerne an der frischen Luft bewegt.

Und wie er sich bewegt. Eine irre Körperspannung und Leichtsinn begeistern und erschrecken uns gleichermaßen. Unsere Schaukel, das Trapez, die Ringe und die Turnmatten zahlen sich gerade aus.
Kirby möchte sich zum lesen nicht mehr auf einen, sondern zu einem setzen. Und er will auch nicht mehr alls vorgelesen bekommen. Der analytische Blick mit dem er seine Bücher durchschaut lässt mich innerlich kichern. Ich hoffe, er wird diese Begeisterung zum lesen mitnehmen.
Seine Begeisterung fürs Backen und Kochen ist ebenso ansteckend. Die Frau ließ ihn Tomaten schneiden—mit einer Art Teigkarte aus Blech—, Teig rühren, er weiß das manche Teigsorten eine Rast brauchen, er schenkt sich selbst Milch ein—inzwischen geht er alleine aufs Klo und wäscht sich nachher die Hände. Und er respektiert meinen Wunsch, die Stopfunktion der Spülung zu benutzen, anstatt den Spülkasten zu leeren.
Er erzählt von Reparaturen, wie man Werkzeuge benutzt, lässt die drei Spider-Man Figuren, die ich auf dem Tisch liegen habe Spagate machen und versucht es dann selbst.
Ich hoffe, dass er nicht zu viel von mir mitbekam. Er ist ein symphatischer, offener Mensch—mit einem guten Humor.
Zwei Jahre…
Ich kaufte ein Geburstagsgeschenk für uns Beide—erscheint allerdings erst Ende März.

dinosaur-embryo
Rebor Oddities Specimen: G-2016 Embryo in Epoxide
Bildrechte liegen beim Eigentümer

Kirby ist Momentan sehr an der Entwicklung von Lebewesen interessiert, besonders von eierlegenden Tieren. Wenn die Frau Eier aufschlägt, möchte er immer schauen, ob ein Embryo drin ist. Dazu hat diese Plastik Anleihen von Shin Godzilla’s zweiter Form, welche sie wiederrum für mich interessant macht.

In letzter Zeit denke ich, dass es nicht schlecht wäre, wenn Kirby ein Geschwisterkind hätte.
Das würde ich nicht überleben.

Kommende Woche kommt das Vorschauexemplar für die zweite Version meines „Fotobuches“ an. Dieses Mal fertigte ich auch eine digitale Kopie an. Allerdings alles unter Verwendung meines „aktenkundigen“ Namens.

lähmend

[ journal ]

Es ist wieder Quarantänezeit. Dieses Mal aber nur für die Frau, und nur für ein paar Stunden; weil der Test einer Kollegin nicht in den angekündigten 72 Stunden ausgewertet wurde.

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An den Arbeitsplätzen übernahm das Chaos die Regie. Anfangs waren die diversen Brände relativ einfach zu löschen, dazwischen tauschten die Brandstifter die Streichhölzer mit Flammenwerfern aus, und momentan könnte man meinen der Himmel sei orange—durch den ganzen verdunsteten Schweiß den wir derzeit abgeben.
Dafür ist das Fernsehteam an einem Auftragsort zufrieden. Vielleicht werden sie aber auch am Ende der ganzen Sache eine Liste mit Beschwerden abgeben.

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Bei der Fahrt nach Hause streiten eine Gruppe Suchtgiftabhängige mit einem Fahrgast. Kurz bevor es zu Handgreiflichkeiten kam, wollte ich mich der Situation zuwenden, und hatte gleich wieder die Bilder des Räubers vor mir, wie er sich nach meiner letzten Einmischung zu mir drehte, und mir sein Messer an den Hals hielt. Ich war gelähmt, konnte nicht einmal wie geplant aussteigen. Ein anderer Fahrgast schritt zum Glück ein.
Es wird Zeit etwas zu tun.

sind wir schon da?

Beim ersten Covid19 Verdacht in meinem Haushalt, wurde den Hopkins Quarantäne verordnet.

Beim Zweiten hieß es, nur das betroffene Familienmitglied soll in Quarantäne verweilen, die anderen sollen so wenig Zeit wie möglich mit anderen Menschen verbringen.

Beim Dritten hieß es, die Quarantäne beginnt mit einem eventuell positiven Testergebnis.

Aktuell heißt’s: Wir reden weiter wenn das Ergebnis positiv ist. In der Zwischenzeit…wenns nicht sein muss, muss man nicht rausgehen.

Gleichzeitig schürt man — wahlkampfbedingt — die Angst vor einem weiteren Lockdown, und fordert auf, die persönliche Verantwortung ernst- und wahrzunehmen. Dabei scheint es, als wäre der Marathon bereits gelaufen, und nun wartet man nurmehr darauf, dass auch der letzte durchs Ziel läuft oder nach Hause geht.

Karmakredit

ich werde versuchen die Tagesnotizen von nun an in „Echtzeit“ und nicht mehr im Nachhinein zu schreiben. Mein Hirn macht das nicht mehr so ganz mit.

– 29&30mar20 –

Die folgenden Worte werden mich noch unsympathischer machen, und ich gebe zu sie sind aus Neid und Schadenfreude entstanden:
Es beruhigt mich, dass die Leute im Speckgürtel – die sogar Ihren Alltag damit finanzieren indem sie Tipps zum Umgang mit Kindern geben – ebenso an der ganztägigen Präsenz ihrer Familie verzweifeln, wie ich es gestern bin.
Aber ich wünsche uns allen eine rasche Umkehrung dessen.

Kirby hat unruhig geschlafen. Ich habe Ihn bis zwei Uhr früh begleitet, dann hat die Frau übernommen. Die konnte aber nicht mehr einschlafen und war dementsprechend fertig als ich aufgestanden bin.
Kirby und ich haben Sie ins Bett geschickt – aber was ich auch probiert habe, ich habe es nicht geschafft Kirby „ruhig“ zu halten. Ich bin durchgedreht. Geflucht habe ich… Als die Frau den Versuch zu Ruhen aufgegeben hat, bin ich Sie auch noch angefahren. Mich belastet die permanente Anwesenheit von Menschen – unabhängig vom Verwandtschaftsgrad. Ja, ich freue mich darüber, dass ich Zeit mit meinem Kind verbringen kann. Ich wünschte, es wäre eine Zeit, in welcher der Hinterkopf nicht permanent darüber nachdenkt, wie die Schulden die derzeit gemacht werden, von der Gesellschaft gestemmt werden – und vor allem wieviel Gewicht unsere Kinder auf Ihre Schultern laden dürfen. Aber ich freue mich jedes Mal, wenn er mit einem Buch ankommt, ich mich in den Schneidersitz begeben darf, und wir miteinander zum x-ten Mal z.B. Nick und der Wal[1] durchblättern.

Und es ist schön seiner Entwicklung zuzuschauen. Da kommen immer mehr Worte vor, die immer präziser ausgesprochen werden. Seine Bewegungen werden immer genauer – er zeichnet aus dem Handgelenk und hält den Stift, als würde er etwas aufschreiben wollen.
Und er erkennt die Welt. Das Garagentor macht Ihn vor Freude und Aufregung fertig. Heute habe ich Ihn gefragt, ob es etwa das Tor nach Garagastan ist – oder Saudi Garagien..

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Trotzdem: ich könnte besser auf meine Stimmung achten. Die Wolken in meinen Gedanken werden wieder dichter.

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Langsam fühle ich mich als mündiger Bürger ein wenig von meiner Landesverwaltung verarscht. Ich habe denen schon am Freitag nicht geglaubt, dass es keine Verschärfungen der Maßnahmen geben wird. Die Kurve steigt, es gibt schönes Wetter und die Testergebnisse erscheinen im Nachhinein. Außerdem weiß ich ja aus Brüderlein fein’s professionellem Alltag, dass sich genug Irre trotz positivem Test in deren Quarantäne an den Arbeitsplatz gestellt haben – haben ja nix. Die Maskenpflicht in Supermärkten wirkt auf mich nebenbei wie eine Erziehung zur Rationierung, so voll wie die Einkaufstaschen der Menschen hier sind – aber ich lebe in einem Brennpunkt was hamstern angeht. Dazu wird immer wieder der Schutz der Risikogruppen erwähnt – und dann sieht man Senioren beim flanieren. Meine Großmutter ist heute zur Bank marschiert, anstatt die Kreditkarte zu benutzen, die man Ihr dort aufgeschwatzt hat. Und natürlich war sie danach einkaufen. Auf Anfrage braucht sie nie etwas…

Kollegen aus Deutschland haben nachgefragt wie es uns in der Firma geht. Bei denen steht eine möglich Sperre bis zu einem Zeitpunkt im Raum, bei dem es mich auf den Scheißer gesetzt hat.

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In den „Mittagspausen“ schaue ich im Moment Ultra Q[2]. Das ist die Serie, der ich unter anderem Ultraman[3] verdanke, allerdings ist sie von den damals in Japan populären Sendungen Twilight Zone[4] und Outer Limits[5] inspiriert – nur das hier in jeder Episode ein größeres Monster auftritt. Jetzt verstehe ich, wieso die Effekte so gelobt und die Serie so geliebt wird: Für ihre Zeit ist sie herausragend. Schon alleine der Umstand, dass man auf 35mm Film gedreht hat, gibt dem ganzen ein Gefühl „größer“ zu sein. Ja, sicher schaut es entsprechend aus, kommt aus dem Jahr 1966, aber man sieht und spürt und die Arbeit die drinnen steckt.
Vielleicht bin ich deswegen gerade so fixiert auf Ultraman, auch die moderneren Versionen, weil man die Hände spürt – auch wenn jetzt mehr Computereffekte zu sehen sind als noch vor ein paar Jahren.
Anscheinend habe ich verstanden was gemeint wird, wenn man sagt „Effekten aus dem Computer fehlt es an Präsenz.“

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Bandai hat eine Ankh[6] Figur in der Shinkocchou-Seihou Reihe auf den Markt gebracht. Kurz: Sie haben einen schwebenden Unterarm samt Hand in deren Luxusspielzeugreihe hergestellt.
My shiny toy robots[7] hat es sich geleistet, damit wir es nicht tun müssen.


[1] Nick und der Wal
–stiftunglesen.de
[2] Ultra Q
[3] Ultraman
[4] The Twilight Zone
[5] The Outer Limits
–en.wikipedia.org
[6] Ankh (Kamen Rider OOO)
–kamenrider.fandom.com
[7] Toybox REVIEW: S.H. Figuarts -Shinkocchou Seihou- Ankh (Arm)
–myshinyrobtos.com

17mar20

Ein Liebhaberkollege schickt eine Audiodatei in unseren Slack-Klon. Den Monolog den Will Smith in der Verfilmung von I am Legend[1] per Funk ausschickt.Da ist es mir kalt den Rücken hinuntergelaufen – ich habe bei der Suche nach einem Buch für Brüderlein fein erst die Vorlage in Händen gehalten und ein paar Zeilen des Endes gelesen. Muss man den Film gesehen haben? Ich kann Will Smith nicht mehr sehen…[2]

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Brüderlein fein hat neben einem Buch auch noch ein paar Vorräte gebraucht. Da hat jemand nicht ganz verstanden, was Quarantäne bedeutet, und Brüderlein fein teilt den Zustand nun mit ihm.
Jedenfalls verstehe ich nun einen Satz aus einem Werbecomic für Ginseng Roots:

Yet I still feel defined by my upbringing; uneducated, unsophisiticated, working class.

aus dem Werbematerial zum Comic Ginseng Roots
Bildrecht liegt beim Besitzer

Beim einkaufen der Vorräte ist meine Depression gefüttert worden. Auch heute haben die Menschen nach deren Öffnung die Nahversorger leergekauft. Wir haben uns ins Auto gesetzt und sind weiter raus gefahren. Dort haben wir alles bekommen, um Brüderlein fein für 14 Tage versorgen zu können. Bier hat er in weißer Voraussicht schon vor längerer Zeit eingelagert.
Später haben wir erfahren, dass unser Grätzl einer der Brennpunkte der Hamsterei ist.

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Beim Mittagsschlaf hat Kirby sich ausnahmsweise nicht quer über mich gelegt, sondern hat mir genug Platz zum lesen gelassen.

Der Kleine ist tapfer. Man merkt Ihm an, dass er die Spannung in der Umgebung wahrnimmt, und die Gefühle nicht ganz einordnen kann – aber sein Bestes gibt um seinen Frust zu nutzen. Um zu bauen, um mit uns zu turnen oder um zu zeichnen.

Bei einem kurzen Spaziergang hat er sich mit mir niedergelassen, und wir haben den Vögel beim kreisen zugesehen.
Der Anblick von Bussen, LKWs und Müllautos sind immer ein Höhepunkt für Ihn – wenn sie sich auch noch bewegen dreht er durch –, und als wir den Krähen beim gleiten zugeschaut haben, habe ich darüber nachgedacht, wie das wohl werden wird, wenn er die Antwort auf die Frage „Wie fährt ein Auto?“ bekommt? „Wir nehmen die Energie aus kontrollierte Explosionen und bewegen damit Kolben, welche wiederum eine Achse drehen[3][4].“ Verbrennungsmotoren sind die ersten die mir eingefallen sind, schauen wir einmal wie es sich entwickelt. Bei Hybriden kommt ja noch der Elektromotor dazu, der beim Bremsen zum Generator wird, und zu dem man parallel einen Verbrennungsmotor laufen lassen kann usw..

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Beim Spaziergang ist uns wieder aufgefallen: So richtig ernst, scheint man es mit dem sozialen Distanzieren nicht zu nehmen. Meist haben wir für den geratenen Meter Abstand gesorgt, und viele Gruppen mit mehr als fünf Personen, nutzten das warme Wetter, um sich im Grünen zu treffen. Gut, es sollen immer maximal fünf Personen aus einem Haushalt sein, das würde sich ausgehen.

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fußnoten

[1] I am Legend (novel)
–en.wikipedia.org
[2] Nicht weil ich selektiv blind bin, aber wie bei Tom Crusie habe ich das Gefühl, dass der Herr Smith in der Küchenlade sitzt, und darauf wartet, mir Werbung ins Gesicht halten zu können sobald ich sie öffne.
[3] Ottomotor
[4] Wankelmotor
–de.wikipedia.org