Das erste Kurzarbeitsgehalt ist angekommen. „20 Prozent weniger ist ja nicht so viel.“ denkt man. 20 Prozent ist sehr viel, wenn man auch noch um die Zulagen umfällt—welche hoffentlich bei der Aufrollung nachgezahlt werden. Das wird lustig werden… ich habe im laufenden Quartal eine Anstellung samt Einkommen und ich mache mir Sorgen. Und ich Schäme mich dafür—schließlich bekomme ich seit sechs Wochen mit, wie Leute aus der Branche von heute auf morgen vor dem Ruin landen/gelandet sind.
In den Nachrichten erzählt man uns, Großveranstaltungen im September sind unrealistisch. Zwei Minuten nach Ende der Sendung meldet sich die Arbeitsgruppe inkl. Gewerkschafter. Niemand hat sich Gedanken darüber gemacht wie es weitergeht, wenn es auch im Oktober kein „Go“ gibt. Der paranoide Teil meines Hirns sagt „Wahrscheinlich werden wir mit Ende des Quartals gekündigt. Die meisten von uns haben drei Monate Frist—das heißt wir sind mit Ende September frei. Wie passend. Außer es gibt eine Sonderregelung.“
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Kirby spielt beim Impfen seine Routine aus. Bis er kapiert was da gerade passiert ist. Dann spielt er eine Silbe aus seinem—vorher für seinen Reichtum gelobten—Sprachschatz aus: Wäähhhhh!
aus Ultraman Taiga ep.20: „Sand Castle“ Transcription: „Suna no Oshiro“(Japanese: 砂のお城)
Heute habe ich mir den Luxus gegönnt, eine Stunde länger zu schlafen. Hoffentlich hat es etwas genutzt – subjektiv kann ich keine Veränderung meines Müdigkeitsniveaus feststellen.
Die Frau hat mir den Luxus gegönnt, mir am Nachmittag ein wenig Zeit freizuräumen die ich dazu genutzt habe, Masters Of Comcibook Art[1] anzuschauen. Frank Miller hatte lange Haare. Bei Dave Sim musste ich vorspulen[2]. Von Jack Kirby gibt es bessere Interviews. Aber den Vogel schießt Harlan Ellison ab. Ok, es war damals eine andere Zeit, aber die Jacke…
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Kirby hat sich wieder die Fingerfarben geschnappt, und wir sind ins Bad ausgerückt. Dieses Mal haben wir Farben bereits in unseren Händen gemischt. Am Ende sind dabei wiederrum Graffiti-ähnliche Sachen herausgekommen, welche ich gerne aufgehoben hätte. Wir haben nurmehr orangene Fingerfarbe…
Es ist unheimlich wenn ein neues Wort einen Platz in Kirbys Sprachschatz findet – es macht sich eine gewisse Panik bemerkbar, wenn er gleich drei neue nacheinander ausspricht.
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Die Frau hat es beim Backen übertrieben, und wir haben auch gleich ein paar Nachbarn mit den Früchten Ihrer Arbeit beschenkt.
Der letzte Schmetterling ist heute ausgeflogen. Der Nachbar ist ein wenig deprimiert, auch wenn er das schon ein paar Mal miterlebt hat, wäre er auch bei dieser Gruppe gerne dabei gewesen. Im Sommer kommt die nächste Partie.
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Ein Liebhaberkollege hat mich als Tester für ein vertontes Wimmelbuch, welches seine Familie erstellt hat, erkoren. Und ich muss zugeben: Das haben sie gut gemacht.
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Der Trailer zu Midnight Gospel[3] ist mir über den Weg gelaufen. Die Sachen die Pendleton Ward[4] einen Finger im Spiel hat finde ich immer recht interessant, weil es immer scheint als würden er und seine Mitarbeiter den letzten Trip für andere erlebbar machen wollen – aber dabei auch viel über das menschliche Befinden erzählen. Nur eben sehr, sehr, sehrsehrsehr abstrakt. Das Netflix eine derart lange Leine lässt, hätte ich nicht gedacht. Und es startet morgen.
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Der Applaus für die Leute, welche den zurückgezogenen das Klopapier ins Regal stellen/nach Hause liefern, es den Märkten liefern, es herstellen, die Menschen fit genug halten um es benutzen zu können, Kindern beibringen wie es hergestellt wird und wie man es benutzt bzw. sie daran erinnert es zu benutzen, ist tatsächlich über die letzten beiden Tage auf beinahe nicht wahrnehmbar abgeebt. Ich hoffe, die Menschen zu Hause wissen wenigsten in deren Inneren, die Leistung da draußen zu schätzen.
Im Mai werden viele Leute wieder deren Dienst antreten. Ich finde die Home Office Träumerein inzwischen ermüdend. Die Bürogebäude sind gebaut, die Miete ist fällig, die Menschen werden wohl an dem Ort arbeiten müssen, für den dern Arbeitgeber bezahlt. Ich zweifle daran, dass sich etwas ändern wird – ausgenommen der Arbeitslosenzahlen und der generellen Verschlechterung der Lebens- und Arbeitsbedinungen für Menschen in Lohnarbeit. Bitte, bitte, bitte, lasst meine Vision der Zukunft nicht zu dunkel sein…
Kirby ist hungrig gewesen und demonstrativ in seinen Hochstuhl geklettert. Er hat den Lagerkoller nicht kompensieren können, also haben wir gedacht wir tun Ihm einen „Gefallen“ und er bekommt ein zweites Mal in dieser Woche Weißbrot. „Möchtest Du eine Scheibe Toast?“ fragte ich Ihn. „Mhmmm“ – seine Antwort wenn er etwas auch essen möchte. Beim Teller holen dachte ich mir „Probier es einfach.“ und fragte „Wie sagt man noch?“ Dann passierte, womit ich nie gerechnet hätte: Kirby sagte klar und laut „Bitte“.
Vormittags lassen wir die Frau in Ruhe arbeiten. Wir bauen eine Bahnstrecke, werken in der Puppenküche – so wie es scheint, muss ich einen funktionierenden Abfluss in das Möbel zimmern – und wir schauen uns Bücher an. Kirby kennt sie alle auswendig, aber er wird ihrer nicht müde – und ich seinem Enthusiasmus nicht. Bei den Büchern von Benji Davies gefallen mir die Illustrationen, da werde ich wohl noch welche auftreiben.
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Die Frau hat sich selbst Homeoffice erteilt. Ihr Arbeitgeber ist sehr wankelmütig in Bezug auf die Form der Weiterführung Ihrer Tätigkeit. Da viele Eltern nun mit Ihren Kindern – welche spezielle Bedürfnisse haben – zu Hause sitzen und überfordert sind, hat Sie sich hingesetzt und Aktivitäten zusammengeschrieben, Checklisten erstellt und Ihr Firmentelefon für Fragen aktiviert.
Es hat sich gut angefühlt, Sie bei der Arbeit zu sehen – hat mir ein Gefühl von Sicherheit gegeben. Ich „sitze“ da und warte auf einen Anruf. Je mehr Distanz ich zu meinem Job bekomme, desto absurder wird er. Jeden Tag fragen wir in der Messengergruppe wie es uns geht. Die Väter „schimpfen“ die Singles wegen deren Beschwerden über die aufkommende Langeweile, man scherzt über dies und das – doch am Ende bleibt immer die unausgesprochene Frage: wie lange kann es so weitergehen? Bester Satz des Abends:
Hopkins, dei Oaschloch is im Fernsehn.
ein Liebhaberkollege
Dazu muss man wissen: als ich einmal das Wort „Anus“ vergessen habe, habe ich im Rahmen der Unterhaltung den Namen „Peter“ als Synonym benutzt. In den Nachrichten hat ein Peter geredet, und dem Liebhaberkollegen hat die Stimmung erdrückt.
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Beim Mittagsschlaf lässt Kirby mir den Platz zum lesen. Ich habe mich für die letzten paar Hefte von Jason Aaron’s Thor entschieden. Die schiebe ich schon lange vor mir her.
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Der Guardian veröffentlicht ein Video, in dem eine Covid19 Patientin von Ihrem Leid berichtet. Sie ist jünger als ich. Ein Video aus einer Intensivstation in Italien erreicht mich. Die Ruhe in dem Video ist schrecklich, nur die Maschinen sind zu hören. „We rage against the darkness.“ fällt mir ein – hat einer der Gitarristen in der Band gesagt.
Bei dem abendlichen Applaus für all die Menschen, die uns das moderne Leben erhalten, sind überraschend viele und laute Hände und Stimmen dabei.
Sprachschatz ist ein schönes Wort. Sprache – in welcher Form auch immer – ist ein integraler Bestandteil unserer Wahrnehmung, eine der Filterschichten die zwischen uns, unseren Sinnesorganen und unserer Umwelt stehen. Wir erzählen uns ständig unsere eigene Geschichte, wir bekommen die Geschichten anderer erzählt – und wir erzählen beides weiter. Und dafür greifen wir nicht auf den Inhalt einer Schublade zurück, oder auf ein paar Zettel aus einer Hosentasche – wir haben einen Schatz. Ok, in meinem Fall ziehe ich mir den Schatz oft aus dem Arsch. Manchmal schafft man damit etwas, über das Alchemisten sich die Köpfe eingeschlagen haben: beim Abwaschen entdeckt man Gold.
Kirby hat „Esel“ und „Tiger“ in seine Schatzkiste gelegt.