Frust

[ journal ]

Ein Mitglied der Satellitenfamilie reiste in die Stadt, um an einer Kulturveranstaltung teilzunehmen. Voller Vorfreude nach sechs Monaten nur zwischen Arbeit und Wohnort zu pendeln — der Partner sitzt im Land der aufgehenden Sonne fest, und kann beruflich bedingt nicht ausreisen —, freute Sie sich auf ein wenig Abwechslung.
Ein Sturz auf dem Weg zur Kulturstätte verschaffte Ihr diese. Die Folgen waren so schwer, dass Ihr Rettungspersonal aufhalf, und bei der Routineuntersuchung im Spital wurde Fieber diagnostiziert. Getestet wird ja…wenn man halt getestet wird, und weil es in dem Fall nicht notwendig war, verbrachte Sie zehn Tage im Hotel.

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Die Krankenkasse schrieb mir einen Brief.
„Sehr geehrter Herr Hopkins; wir bekommen ein nervöses Zucken am Augenlied, weil weder Sie noch Ihr Hausarzt einen Covid Status meldeten.
Wir müssen reden.

Ich rief also an, und meldete, dass es kein Ergebnis gäbe und mein Arbeitgeber auch gerne wissen würde, wo ich denn bin — und wer dafür bezahlt. Eine telefonische Krankschreibung gilt fünf Tage lang, dann muss man beim Arzt vorstellig werden. Die Regel ist allerdings, dass man nach dem Auftreten erster verdächtiger Symptome, zehn Tage in Quarantäne verbringt. Der sehr nette und bemühte Mitarbeiter der Krankenkassee war ebenso überfordert wie ich.
„Und was machen Sie jetzt?“ fragte er mich nachdem ich meine Situation ausgebreitet hatte.
„Meine Quarantänezeit ist abgelaufen — ich werde meinen Arzt besuchen und mir eine Bestätigung für die Krankenzeit holen.“
„Das scheint mir ein guter erster Schritt zu sein.“
Mein Arzt bestätigte mir die Krankenzeit, und schüttelte ebenfalls den Kopf über die Situation meines Covid Befundes. Ich sei außerdem der erste Patient, dess Arbeitgeber eine schriftliche Bestätigung brauche — die kann er sich auch online abholen…
Was meinen Covid Status angeht, die Behörden wurden von mir schriftlich und telefonisch informiert. Ich geh jetzt wieder vor die Tür.

Mit der Behandlung meines Falles kehrte bei mir auch Verständnis für den zweiten Lockdown ein. Der Bund ist den Sommer über lang…Beschäftigt gewesen und deswegen überfordert, und das Land scheint alles so gut unter Kontrolle zu haben, dass sie einem gar nichg mehr sagen, wie der Hase läuft.

Die Frau wird in den kommenden Stunden getestet, weil es zwei positiv getestete Kollegen gibt — einer mit Symptomen, der Andere beim Routinetest. Langsam denkt man darüber nach, auch die Kinder zu testen. Nur wie? Manche werden einen Gurgeltest einfach nicht schaffen…
Und dazu kommt die Sache mit den Sonderbetreungszeiten, welche eine Woche nach deren Fixierung dadurch umgangen werden, dass man die Schulen nicht ganz schließt. Die Eltern in unserer Blase nennen die Regierung ein Watschenkabinett.

Mich frustriert die Lage momentan. Es scheint auch jeder — auch die Volksvertreter — das Gefühl dafür verloren zu haben, was zur Eindämmung fehlt bzw. wie Krankheiten funktionieren. Zur geplanten Geburtstagsfeier meines Vaters waren vier Haushalte geladen. „Sind ja keine Fremden.“ Nachdem ich — wie es mein Zweitjob zu sein scheint — den Grantaffen spielte, erkannte man, was man da eigentlich vorhatte. Ich hätte mich auch darüber gefreut, wieder mehr Zeit mit den Nichten zu verbringen, aber Sie und Kirby verbringen Zeit mit „Fremden“, und es wären viele ältere Leute dabei gewesen…ich musste zum Glück nicht weiter argumentieren.
Und jetzt beginnen die Familienmitglieder im Ausland zu realisieren, dass Sie sich Weihnachten in Wien eventuell nicht ausgehen könnte. Spannend zu sehen, dass ich einer von wenigen bin, der dies bereits einplante — ich rechne nicht einmal, dass wir mit der Familie feiern werden.

136 :: Meeresduft

Die Bücher sind bereit für ihre Reise in neue Regale. Kirby hat mich beim vorbereiten der Pakete beobachtet—allerdings erst nachdem ich meinen Rhythmus beim verkleben der Schachteln gefunden hatte. Im Kopf war ich dabei wieder zurück in meinen Tagen als Teilzeitlogistiker—da habe ich Dienstag und Mittwoch Vormittag die Sendungen für Vorbereitet. Das war eine unglaublich entspannende Tätigkeit.
Außer das finden einer geeigneten Verpackung, das hat einen manchmal verzweifeln lassen. Zwei Mal hat eine Schachtel sogar ihren Weg zurück zu mir gefunden—belegbar durch die von mir angebrachte Markierung.

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Im Kindergarten hat es Fisch gegeben. Und das heißt, dass Kirby den ganzen Tag nach Fisch riechen wird.
Besonders sein Urin.
ich muss mich bei Gelegenheit einmal schlau machen, woran das liegen könnte. Das kann ja nicht normal sein. ?

Kirby hat uns mit seiner Ausgeglichenheit beeindruckt. Auch wenn man lange in der Warteschlange an der Kasse steht, und ein paar Kinder rundherum laut werden, weil die Eltern ihnen die Mitnahme von Ware aus der für sie kaufrelevanten Zone verweigerten, bleibt er gut gelaunt und „tratscht“ mit uns.

Kirby vermisst die Frau…ich habe mir meine Dienste so eingeteilt, dass ich die Nachmittage mit Ihm verbringen kann, um die Frau dann auch für den Job freizuspielen. Und seit ein paar Tage mist er traurig darüber, dass sie nicht zu Hause ist bzw. arbeiten muss. Er beschwert sich nicht laut oder wird ungut, aber sein Blick bei der Erkenntnis, dass Sie nicht da ist, erschüttert mich bis in den Astralkörper.

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ich verliere meine Begeisterung für die Fuji x100f. Das Farbmanagment stört mich, weil ich nie zufrieden mit einem Bild bin. Die ständigen Kompromisse stören mich. Bei den Einstellungsprofilen, wird der Weißabgleich nicht einzeln, sondern global gespeichert.
Aber ich finde keine Alternative. Seit der Staubsache mit der Ricoh GR fürchte ich mich davor, die GRIII zu benutzen. Auch wenn es mit einem Filter vor dem Objektiv ein kleineres Problem sein sollte.
Fotografie ist im Moment frustrierend—ich denke, ich verkompliziere es in meinem Kopf…

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Achtung! Unreflektierte Beschwerde:
ich bin zwei Mal für Besorgungen ausgerückt, beide Male hat mich die „neue Normaliät“ überrascht.
Beim Baumarkt hat der Mitarbeiter der Sicherheitsfirma ein Lied mit einem anderen Kunden gesungen, während alle ankommenden Kunden ohne Einkaufswagen—der Zollstab zur Einhaltung des Anstandsabstands—den Markt betreten haben.
Im Supermarkt habe ich in einer halben Stunde nur einmal die Aufforderung zur Einhaltung des Anstandsabstands gehört—und nebenbei wieder Leute ohne Einkaufswagen gesehen und nicht nur einmal mitbekommen, dass andere Kunden sich die Maske vom Gesicht ziehen um sich zu kratzen, und danach vergessen, sie wieder ins Gesicht zu ziehen.
Der Einkaufstempel rund um den Supermarkt war befüllt wie zu seinen Glanzzeiten, gepaart mit dem Auftritt unseres Kanzlers im Kleinwalsertal[1][2] und dem Druck der gerade mein professionellen Leben prägt—wir sind fertig mit reparieren, das Theater kann wieder beginnen—beginne ich zu verzweifeln. Mir ist schon klar das wir aufpassen müssen, aber man könnte mir auch helfen eine Perspektive zu finden.
Mir ist auch klar: das passt nicht in die neoliberale Normalität…


[1] Westösterreich-Besuch von Kanzler Kurz wirft Fragen auf —derstandard.at
[2] Kurz appelliert nach Kleinwalsertal-Besuch an Eigenverantwortung und gibt Medien Mitschuld —derstandard.at

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