Kirby sagte etwas, dass mich unter Druck setzte:
Warte bis du meinen Papa kennenlernst. Meine Mama hat die guten Ideen, und mein Papa weiß alles. Alles was ich weiß habe ich von meinem Papa gelernt.
—Kirby Hopkins
Das ehrt mich. Von niemand anderem als dem eigenen Kind möchte man diesen Satz hören — obwohl er nur logisch ist, denn von wem sollte es in seinen ersten Lebensjahren sonst lernen?
Wird Zeit, dass ich mir mehr Allgemeinwissen aneigne.
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Inzwischen war ich beim HNO. Der ist der Meinung, meine Ohren sind nicht am Schwindel Schuld. Nächste Station: Neurologe.
Im Wartezimmer lernte ich einen Chemiker kennen, mit dem ich mich über diverses unterhielt. Auch wenn er ein netter Kerl war, meinte er erst, dass ich unmöglich meinen Job machen könnte, weil es mir an körperlicher Befähigung mangelt. Trotzdem mochte ich das Gespräch; er kam aus der Medikamentenentwicklung, sattelte aber auf Verhaltensforschung um, und wir sprachen darüber welch wunderbares Ding das Hirn ist, und wie begrenzt es doch ist. Wenn wir bloß die Möglichkeit hätten, Alles um uns herum wahrzunehmen, was würden wir sehen, hören und fühlen können? Und sobald man uns die Reize nimmt, beginnt das Gehirn aus dem was es weiß etwas zusammenzusetzen.
Die Untersuchung für den Lagerschwindel war interessant, weil sie der Übung ähnelte, welche mir der Hausarzt empfahl. Danach drehte sich die Welt wieder schneller als bisher, aber das sei bewegungsbedingt der Fall gewesen.
Ich duzte den Assistenten, der den Hörtest machte. Weil der so jung war, und ich dachte, dass sei Usus. Ich entschuldigte mich dafür und verbesserte meine Anrede.
Beim Augenarzt kam heraus: ich bin bereit für eine Gleitsichtbrille. Aber ich soll mich nicht grämen, ist in meinem Alter normal — und noch nicht dringend notwendig. Werde mich auch noch einmal mit dem Optiker meines Vertrauens darüber unterhalten — wenn ich wieder einen finde. Mit meiner momentanen Brille bin ich überhaupt nicht zufrieden. Da verschmieren die Gläser durchs bloße hindurchschauen und die versprochene Stabilität der Gläser ist auch bei diesem Paar — ein Garantietausch — lediglich ein Werbetext.
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Nach Jahren der, mehr oder weniger, fehlgeschlagenen Versuchen, fragte ich meine Mutter um ihren Rat zum Fensterrahmen reinigen. Durch ihre einstige Anstellung als Reinigungskraft in einer Einrichtung für Drogenabhängige, kennt sie da ein paar Mittel gegen die Cif Trinkwasser ist. Sie ließ es sich nicht nehmen, mir zusammen mit der Chemie auch ihre Zeit zur Verfügung zu stellen, und so putzten wir drei Stunden lang die Fenster.
Die Rahmen scheinen nun zu glühen.
Und natürlich gab es einen Zwischenfall mit der Chemie: den Kunststoffreiniger sollte man nicht länger als zwei Sekunden ohne Schutzbrille anschauen, also nahm versehentlich einen Atemzug davon. Es fühlte sich an, als würden die Nasenschleimhäute mit Kunststoff überzogen, der aufschäumt. Einmal schnäuzen und den Mund ausspülen normalisierte die Sache wieder. Wir ließen den Geist von da an in der Flasche — aber Sauber machte das Zeug.
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Inzwischen begann der erste Teil meines Jahresurlaubs.
Ich konnte erst vor kurzem etwas akzeptieren: ich mag keinen Urlaub. Ich mag das Konzept Urlaub, und schätze die Opfer derer, die es uns ermöglichen Urlaub zu haben. Für mich bedeutet Urlaub allerdings eines: Freizeitstress.
Ich bin jemand, der versucht im Urlaub Ordnung zu schaffen, sich danach hinsetzt und auf Winterschlaf umschaltet. Machte ich schon als Jugendlicher, mich mit einem Buch — hach, wen Lüge ich an, meistens waren es Comics — hin- oder vor den Fernseher setzen.
Aber die Frau wird im Urlaub unternehmungsfreudig … das verursacht bei mir Stress. Seit wir Eltern sind, ist es schlimmer, weil das Kind auch Unterhaltung braucht.
Den zweiten Teil des Urlaubs verbringe ich alleine mit Kirby, da ist der Kindergarten geschlossen. Das macht mir noch mehr Angst. Es ist interessant, dass Leute, die uns gemeinsam sehen sagen, unser Umgang miteinander ist beeindruckend, während ich so angespannt bin, dass ich meine einen Proktologen zu brauchen, der mir die Sitzbacken trennt. Vielleicht ist man auch nur freundlich, und denkt unser Umgang sei katastrophal.
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Wieso müssen Tonmeister, oder Regisseure oder wer auch immer dafür verantwortlich ist, Essensgesräusche so laut abmischen? Wir leben in einer Zeit, in der man sich Untertitel einschalten muss, weil der Ton so schlecht abgemischt ist; aber wenn die Leute in ein Brot beißen, bekommen wir das bis ins Mark zu spüren.