Uringlas?!

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Im vorbeigehen sah ich an der Tür des hiesigen Flagship Stores eines Anbieters für Pyrotechnik den gesamten Gesetzestext für die Abgabebestimmungen seiner Waren aushängen. Am Ende war ein Handgeschriebener Zettel angebracht der die Seiten an Kleingedrucktem zusammenfasste: Kein Ausweis, keine Ware.

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Der Vertreter meiner Sterbeversicherung meldete sich. Das Angebot müsse dringend überarbeitet werden. Einen Termin zu finden, an dem man zumindest eine halbe Stunde Luft hat ist nicht mehr so einfach, vor allem, wenn man nicht mehr gewillt ist, Versicherungsleute in seine Wohnung zu lassen.
Umso mehr ärgerte mich, dass es am Ende nur darum ging, meine Beiträge zu erhöhen. Menschlich meinte der Vertreter es sicher gut mit mir, er wollte aber auch nicht verstehen, wie ernst es mir damit ist, dass meine Überreste so billig wie möglich entsorgt werden sollen, und ich es mir sehr ernst ist, Anonym auf einer der dafür gewidmeten Wiesen verscharrt zu werden.
Nach Rücksprache mit einem Bestattungsunternehmen, welches dies Anbietet stellte ich fest, meine Versicherungssumme deckt knapp drei Begräbnisse dieser Art ab. Die Leich[1] ist also auch schon bezahlt.

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Ein Kollege kam auf die Idee, ein Dosimeter in sein geerbtes Uranglasgeschirr zu stecken. Auch wenn die Werte nicht gefährdend hoch waren brachte er das Geschirr zur Entsorgung. Davor durften wir es freundlicherweise mit einer Schwarzlichtlampe beleuchten.

[1] Leich = Leichenschmaus

Zweifel

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Auf Kirbys Anfrage sahen wir uns nach Bildnissen von Donnergöttern, und waren uns einig, das z.B. die Darstellung von Indra aus einem Superheldencomic stammen könnte.
Wieso Menschen an Götter glauben ist momentan eines von Kirbys Themen, und es ist nicht einfach ihm die diversen Gründe zu vermitteln.

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Im professionellen Alltag arbeiten wir momentan an einer Veranstaltung, welche die Notwendigen Maßnahmen traf um sich ein grünes Gütesiegel anheften zu können erfüllt. Im Kollegium wird die Scheinheiligkeit dieses Siegels unentwegt diskutiert, und durch entsorgen von Dosen im Altpapier und PET Flaschen im Restmüll zum Ausdruck gebracht. Der ab 2025 fällige Dosenpfand wurde auch heiß diskutiert. Nun müssen sich die armen Kaufleute und Kunden mit dem Dreck den sie verursachen auseinandersetzen, wo kommen wir denn dahin? Es bräuchte mehr zivilen Ungehorsam, einigte man sich.

Ich sehe schwarz für die Zukunft.
Reicht es, auf einer Demonstration zu skandieren, man finde Faschismus blöd, wenn die Leute mit gegenteiliger Meinung in den Gemeinden und den Regierungen immer mehr Macht erlangen? Wenn es Fotos von leitenden Personen der Exekutive und Judikative gibt, die mit Szenegrößen abseits der Demonstrationen für die Rückkehr in die guten alten 30er Jahre tratschen? Haben wir nicht bereits verloren, aber damit es nicht so deppat ausschaut lässt man uns die Illusion der Möglichkeit?

Der ältere Schwager versucht seinen Teil zu leisten, in dem er Gesprächsrunden in seinem Gräzl—Kietz—organisiert und moderiert, in dem die Menschen sich Luft machen können, und der Organe der Bezirksverwaltung beiwohnen. Solche Veranstaltungen besuchte ich bereits in meiner Kindheit und Jugend, subjektiv warte ich heute noch auf Umsetzung von Vorschlägen, die nichts mit Hundeschutz zu tun haben.

Und nach einem Zusammentreffen mit einem … Menschen der mich um Geld bat, kann ich verstehen, wieso es Menschen gibt, die ohne den Wahnsinn dessen zu hinterfragen, von einer »starken Hand« regiert werden möchten. In der Nähe eines Zentrums für Hilfsbedürftige sprach er mich in gebrochenem Deutsch an, gratulierte mir zu meinem blendenden Aussehen, wie großartig es sei dass ich ihn anhöre, der Himmel hätte mich geschickt. Ich hatte es eilig—weil Dienstbeginn und Harndrang—also sagte ich ihm wir können uns den Tanz sparen und drückte ihm einen Fünfer in die Hand. Der Fünfziger wäre mir lieber, sagte er mir darauf. Mir auch, antwortete ich und setzte meinen Weg fort, doch er stellte sich mir in den Weg. Meine Reaktion verblüffte mich »Und auf das bekommst du von mir nichts mehr.« sagte ich, und ging an ihm vorbei.
Man muss verzweifelt sein um so etwas zu tun, aber es ließ mich in dem Moment an meinem Engagement für Hilfsbedürftige zweifeln, wenn sich mir diese in den Weg stellen und Geld fordern. Mache ich nicht genug, oder keimt die Saat nicht?

20 Minuten

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Auf dem Weg zurück nach Hause fuhr ein PKW bei rot in die Kreuzung vor uns ein. Dabei verfehlte er einen Radfahrer um Haaresbreite. Der Radfahrer dürfte dies argwöhnisch kommentiert haben, denn der Autofahrer bremste sich quietschend zusammen, und lief dem Radfahrer weiter nach, als ich dachte, konnte sich bei der Missachtung der Verkehrsregeln also nicht um einen Notfall gehandelt haben. Das Foto, dass ich von dem wagen machte, ließ keinen klaren Blick auf das Kennzeichen zu.
Ein paar Gassen vor unserem Ziel, stürzt plötzlich eine Frau aus der Bäckerei auf die Straße, »Hearst Esme!« brüllte sie einer Frau auf der anderen Straßenseite nach, in einem Ton der mich an den Autofahrer von vorhin erinnerte, und ich dachte »Was kommt denn jetzt?«. »Soi i da an Kafee mitbringan?«—»Soll ich die einen Kaffee mitbringen?« Esme freute sich sichtlich, und dankte in einem heitereren Tonfall.

die Hirnmaroden

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Achtung: In den folgenden Zeilen lasse ich mich über das Thema Selbstmord aus.

Gleich am ersten Tag des neuen Jahres—2024—tat ich etwas, dass ich bisher aus Abscheu nicht getan hatte: ich schrieb in ein Buch.
Notizen in Büchern lässt mir die Haut unter den Nägeln Jucken, was heißt unter den Nägeln, meine Knochen möchte ich kratzen; unabhängig davon wie Sinnvoll die Notiz ist.
Radieschen von unten hat es geschafft, mich derart in Rage zu versetzen, dass ich dieses Gefühl hinnahm, um ein paar eigene Worte an mich, und eventuell weitere Leser zu richten.
Das Buch ist als Einführung in die Sterbekultur angelegt, geschickt verpackt und vermarktet an Kinder und Jugendliche, kann ich mir vorstellen, dass auch Menschen die sich als Universalgelehrte sehen da ein paar Sachen erlernen könnten.
Der Vorfall ereignete sich bei den Todesursachen, beim Abschnitt über die Selbsttötung. Schön an dem Abschnitt ist, dass darauf hingewiesen wird, die Hinterbliebenen auf ihre Art trauern zu lassen, was meist damit einhergeht, dass sie immer wieder von ihrer Trauer sprechen, und der Prozess braucht eine undefinierte Zeit. Der Akt der Selbsttötung selbst wird leider als Ergebnis einer Rechnung dargestellt, bei der die Täter nicht mehr sehen, was sie an Gutem verbuchen können; was meist die Folge einer psychischen Erkrankung ist. Später ließt man wieder von kranken Menschen, die sich schon darauf freuen, gestorben zu sein.

Das ist genau der Text, den ich im Religionsunterricht vermittelt bekam: Du musst leiden, bis du von Gott gerufen wirst, denn alleine durch dein Sein bist du sündig, und wenn du im Himmelreich einen Balkon haben willst, dann hast du diese Sünde zu Lebzeiten abzuarbeiten.

Es reicht doch, ohne Nachfragen auf die Welt kommen zu müssen, sich als Mensch in eine Gesellschaft eingliedern zu müssen—die zwar meint den Mensch ins Zentrum zu stellen, und Kapital meint—, und Erwartungen dieser erfüllen müssen, um vielleicht eine gefühlte Ewigkeit leiden zu dürfen, nur weil diese Gesellschaft meint, dass es einen dich liebenden Gott gibt, der entscheidet wann dein Ende stattfindet.

Nur die Gestörten bringen sich um … deswegen soll man nicht davon berichten, weil damit Andere zur Nachahmung der Tat motiviert werden könnten, anstatt endlich die Umstände anzugehen, die Menschen dazu bringen.

Ich bin noch immer angefressen. So ein Dreck…

Hirnmarode = weich im Kopf, verblödet

überraschend emphatisch

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Mit einem Kollegen sprach über dessen Fortschritt beim Besorgen einer Staatsbürgerschaft. Als er mich fragte, wann er den Termin für die Abgabe der Unterlagen und Erstgespräch hat, meinte ich drei Monate wären eine passende Zeitspanne—12 wären richtig gewesen. Ein weiterer Kollege schaltete sich dazu ein. Dessen Sohn, bekam vor kurzem die Staatsbürgerschaft verliehen; nach acht Jahren Bearbeitungszeit.
Wir sprachen auch über das Heimatgefühl, dass wir Beide keinen Nationalstolz oder Treue gegenüber dem Geburtsland empfinden, sondern »die Aussicht« gewohnt sind. Mir fiel das auf, als ich vor Jahren das letzte Mal bei den Schwiegergroßeltern auf dem Land war, auch wenn der Blick in die Ferne dort … pittoresk ist, ich vermisste das Grau und die Enge der Stadt.
Wir sprachen auch über die Flucht des Kollegen nach Österreich, wohin es ihn auf seiner Reise führte.
Seine Zerrissenheit kann ich nicht vollends nachvollziehen. Zwar setzt er alle möglichen Hebel in Verbindung um die Staatsbürgerschaft zu erhalten, aber sobald es ihm wieder möglich ist, würde er zurückkehren. Gleichzeitig bin ich einer der von mir so benannten »wohlstandsverwahrlosten Österreicher, für die Andere die Flucht organisieren sollen, und sich am Ziel darüber beschweren, dass es nicht zu Hause ist«.

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Das Gehirn verwies mich mit den Worten »Von der Ästhetik ist das doch genau deines.« an Atarashi Gakkos Tokyo Calling. Die Tokusatsu bzw. Kaiju-eiga Elemente und die Uniformen, die an die aus Ultraseven erinnern sind natürlich genau meines, die Musik selbst ist als Hintergrundbeschallung ok.

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Während einer Fahrt nach Hause, gaben meine Kopfhörer auf, und ich war der Geräuschkulisse der Mitfahrenden ausgeliefert. Eine Unterhaltung zwischen zwei nahe stehenden Männern fiel mir besonders auf. Einer der Beiden hat demnächst den Haftantritt auf dem Kalender, und klagte dem Anderen seine damit verbundenen Sorgen. Der sagte ihm, es wäre nicht schlimm, er kenne ohnehin ein paar der Leute und erspare sich ein wenig Geld. Der Grund für die bevorstehende Inhaftierung? Bei einem Spaziergang meinte der Betroffene, einem Hütchenspieler das Geld aus der Tasche ziehen zu können; als der Plan nicht aufging wurde er Handgreiflich, die Polizei schritt ein, fanden das Suchtgift bei ihm und—dann musste ich aussteigen. Wäre ein zu großer Umweg geworden. Ein Satz seines Gesprächspartners zur Behandlung durch die Exekutive fand ich überraschend: »Natürlich packen die dich fester an, die wollen auch gesund nach Hause kommen.«

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Nach einem Rappel, räumte ich durch meine Kiste mit Tontechnik, und sah ein, dass mein Mischpult bei jemand Anderem besser aufgehoben wäre. Jemand Anderer stellte sich sich nach einem Rundschreiben als eine der Auszubildenden heraus. Das ging überraschend unkompliziert, ich fürchtete, es würde im Elektroschrott landen.