5 – Man sagt hier «Halt einmal den Kopf schief, damit das Hirn zusammenläuft.»
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ein botschertes Leben und Popkultur
5 – Man sagt hier «Halt einmal den Kopf schief, damit das Hirn zusammenläuft.»
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Die letzten Tage fiel die Tagwache für mich auf 03:00—der Kunde nahm durch die Erleichterungen der Maßnahmen gegen die Verbreitung von Sars-Cov2 den Probenbetrieb wieder auf, und wir hätten dabei gestört. Also schoben wir den gesamten Arbeitstag um ein paar Stunden nach vorne. Eigentlich eine tolle Sache, denn man kann Mittags in die Freizeit abbiegen. Und vor 20 Jahren hätte ich das noch mit einem pfeifen getan. Ich weiß nicht wie es schaffte mich munter zu halten, bis Kirby einschlief. Und als ich dann im Bett lag war ich wieder „wach“, nachdem ich ein erleichtertes Seufzen in die Welt entließ.
Dazu stieß ich mir an zwei Tagen den Kopf an derselben Stelle—sowohl an meiner Glatze als auch an dem Dachträger—, und legte mir damit einen zünftigen chronischen Schwindel zu, der auftrat sobald ich mich hinlegte. Fürs Erste hat es sich einmal wieder ausgeschwindelt.
Im professionellen Alltag lag nach wie vor diese entspannte Anspannung in der Luft. Diese hat allerdings an Entspannung verloren, seit der Chef des Arbeitsmarktsserive im Fernsehen verkündete, dass man nicht jeden Job retten wird. Da stimmte auch der Finanzminister mit ein. Wenn ich mich in meinem Umfeld umschaue, sparen konnte keiner, viele leisteten ihren Dienst trotz Kurzarbeit in Vollzeit, die Leute sind geschunden vom Homeoffice und ihren Kindern … und heute die Diskussion wie es denn weitergehen könnte. Heuer steht kein großes Konzert für uns auf dem Plan—2022 sind sie—vorerst—prall gefüllt. Bis dahin muss man aber erst einmal Geld verdienen. War jedenfalls ein entspannt Angespanntes Gruppentelefonat.
Und die ganze Zeit musste ich währenddessen an die Obdachlosen im Bus denken, welche diesen als nächtliche Schlafstätte nutzten. An einem Tag hatte einer davon eine Flasche Schnaps dabei—vom Geruch her Marke Witwenmacher—, welche Ihm durch die zügige Fahrweise des Fahrers aus der Hand fiel. »Schaut’s net so deppat, es sads schuid.1« rief er durch den Bus. Und er hat Recht, es wäre die Aufgabe der Gesellschaft zu helfen—aber die verlässt sich gerade auf eine Regierung, deren Vorsitzender Gegenstand einer Ermittlung ist…
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Kirby werden wir von nun an öfter im Kindergarten schlafen lassen. Er fragte uns, ob wir Ihn nicht länger dort lassen können, damit er länger bei den anderen Kindern bleiben kann. Wir haben das Gefühl, dass in seiner Gruppe alle Kinder sehr gut miteinander auskommen, und der braucht die sozialen Kontakte. Es ist schön zu hören, dass er den Jüngeren hilft und mit den Größeren spielt. Und ich denke, da ist auch etwas dran—wenn ich Kirby abhole, kommen die Kinder meist zu mir und erzählen mir davon, was Sie alles machten und wie es Kirby geht.
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Ich schaffte es, seit Beginn des Jahres vier Bücher zu lesen. Ich weiß, es gibt Menschen, die lesen pro Woche ein Buch—für mich ist dies allerdings eine ähnliche Leistung. Ich schlief dafür zu wenig.
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Mein Schwager lieh mir eine Kamera, damit ich fürs erste wieder Film benutzen kann. Er kauft inzwischen Film als Meterware und spannt den in Filmdosen aus Kunststoff. Stelle ich mir beim öffnen angenehmer vor. Und netter für die Umwelt—abgesehen von der Chemie usw..
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Ich könnte mich zusammenreißen. Würde gerne über ein paar Fotobücher schreiben. Und über das Foto, welches mich bis heute „verfolgt“.
Aber jetzt setze ich mich erst einmal vor Gamera 3: Revenge of Iris.
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1 »Schaut’s net so deppat, es sads schuid.« = »Schaut nicht so dumm, ihr seid Schuld.«
• AMS-Chef Kopf: Es können nicht alle Arbeitsplätze erhalten werden | derstandard.at
• Blümel will einige Corona-Hilfen auslaufen lassen | derstandard.at
• Gamera 3: Revenge of Iris | wikipedia.org
[ comics ]
Comicsbeat haben deren Best Of Liste für die Comics des Jahres veröffentlicht.
Mit allen Würdenträgern gehe ich nicht d’accord, aber es wird ein Überblick über das Jahr geboten.
In letzter Minute wurden zwei große Projekte aus der Planungs- in die Umsetzungsphase gerückt; was bedeutete, dass es im Kollegium rund geht.
Theoretisch, denn mit den steigenden Infektionszahlen wurden Verschärfungen angesagt, und von deren Verkündung hängt gerade einiges ab.
In der Zwischenzeit realisierten wir alle, wie rostig wir geworden sind. Bis auf die Ketten unserer Kettenzüge—es war eine grandiose Idee diese beim letzten Service gut einzufetten…bei 16 Geräten mit einer Hebeleistung von einer Tonne die 20 Meter langen Ketten hochzuziehen war mir nach drei Stück zu blöd, und ich entschied, sie einzufahren. Der Kollege und ich hatten je nur ein Paar Handschuhe dabei, und die glänzten vor Fett. Dann muss man beim nächsten Job einfach fünf Minuten länger warten. Es ist ja nicht so, als hätte die Produktion das zusätzliche Material und Personal um einen Tag verzögert ankommen lassen, um Kosten zu sparen.
Beim nächsten Service werden wir die Ketten weniger gewissenhaft schmieren.
Und ich werde in der Zwischenzeit mehr Treppenhäuser erklimmen um meine Unterschenkel zu stärken.
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Kirby meint, ich arbeite in einem Zoo, wo ich Bären streichle und Giraffen füttere. Und ich kann anscheinend alles reparieren. Das Kind bereitet sich eine große Enttäuschung vor.
Das Verabreichen der Antibiotika bricht mir jedes Mal das Herz. Inzwischen verhandelt er schon damit, sich freiwillig die Zähne putzen zu lassen wenn wir die Medikamentengabe auslassen.
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Auf Empfehlung eines Bekannten begann ich Inside the Star Wars Empire: A Memoir zu lesen. Darin erzählt Autor Bill Kimberlin über seine Zeit bei der Lucasfilm Effektfirma Industrial Light and Magic. Es ist witzig zu lesen, nicht Star Wars zentriert wie das Cover vermuten lässt, aber es muss sich irgendwie verkaufen.
Der zweite Star Wars Archives Band, welcher die Prequels von 1999 bis 2005 abdeckt, erscheint dieser Tage. Eigentlich hatte ich das Geld dafür schon bei der Veröffentlichung vom ersten Band angespart…ich verstehe den Sinn der Filme und wieso sie ein Publikum fanden, aber die Ausführung kam bei mir nicht an. Spannend wäre zu wissen, was George Lucas sich so alles zu den Filmen dachte; was man eventuell in dem im Buch enthaltenen Interview mit ihm erfahren könnte. Aber es tut halt 150Euro lang weh…
Ich denke es ist ein langwieriger Weg zu sagen: Nein, du brauchst es nicht—ließ einmal den ersten Band zu Ende.
Im Moment bin ich „menschenmüde“.
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In einem Interview mit einem Künstler, dessen Kunst ich schrecklich, aber Person ich mag, fiel dieser mir ungewohnt ungut auf: er machte Werbung für seinen Podcast. Ein notwendiges Übel, wo soll man sonst Werbung für seinen Podcast machen, wenn nicht in einem Podcast? Ist eine persönliche Sache von mir, geht aufs Haus.
Die Grausbirnen stiegen mir auf1, als er davon sprach, seine Vorurteile gegenüber Influencern verloren zu haben, nachdem er ein Gespräch mit welchen führte. Aber, der Mann hat Vorurteile abgebaut, ich kann das auch—und schaute mich nach den genannten Beeinflussern um.
Ich brach das anhören des Interviews daraufhin ab. Diese Personen haben—objektiv—keine Tiefe.
Man muss sich auf Leute einlassen…das weiß ich aus eigener Erfahrung. Mag sein, das die Leute im Gespräch als tiefsinnige Feingeister entlarvt werden könnten, aber diese erste Schicht an Wahrnehmung, ist ein Maschinengewehr der Inszenierung, welches einen mit Dauerfeuer den Verstand zerstückelt. Die einzige fühlbare Intention ist Anbiederung.
Vielleicht ist es auch das Alter. Oder das ich einfach ein Ungustl2 bin.
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Der Webhost für die Internetpräsenz des Podcasts3 möchte die Kosten für das kommende Jahr gedeckt wissen—ansonsten fliegen wir vom Server. Ich bin mir nicht sicher ob ich die Sache nicht einfach auslaufen lasse. Niv meldete sich in den letzten Monaten nicht mehr bei mir, kann verstehen, dass der als in den USA lebender Mensch gerade eigene Sorgen hat.
Falls dem aber nicht so ist: Wieso muss ich immer auf die Menschen zugehen? Ich will mich nicht dauernd um Sachen kümmern müssen.
Meine Großmutter erinnerte sich dafür daran, das ich eine Zeitschrift für Sie abonniert hatte. Das wollte ich nun auf Ihren Wunsch hin kündigen—nur gibt es dabei eine Hürde: Das damals von mir angelegte Benutzerkonto ist nicht auffindbar. Ich erhielt auch keine Bestätigungsnachricht…oder habe diese Gelöscht, weil der Kopf entschied „Brauchst nicht, ist für die Oma.“
Sie fragte mich außerdem, ob ich jemanden kenne, der Interesse an dem Agfa Family4 Sachen hätte. Ein Blick in diverse Verkaufsportale zeigte mir, das man die Sachen teilweiße um den Preis der Fahrscheine für die Benutzung des öffentlichen Verkehrs handelt. Ich möchte die Kameras und Betrachter am liebsten behalten. Ein paar der Familienfilme dazu und Ersatzlampen für den Betrachter besorgen…und dann nie wieder angreifen, weil der Gedanke daran, die Filme wieder zu betrachten tröstender ist, als der Akt selbst.
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Tausend Zeilen Lüge von Juan Moreno ist ein Buch, das mich packte, und durch seinen Text zog. Darin berichtet der Autor davon, wie er den Stein ins Rollen brachte, der Claas Relotius Lügenkonstrukte zu tage brachte5. „Bist du gscheit, Oida, Na hearst, Geh scheissen“, entkam mir beim lesen manchmal—einmal in Kirbys Kindergarten. Es wühlte mich auf und beruhigte mich zu verfolgen, wie dieser Mann die Leute vorführte. Ich denke nicht mit vollends arglistiger Intention, sondern von der Warte „Ist eine Lüge denn verwerflich, wenn man jemanden damit ‚hilft‘?“ her. Er erhielt Preise, die Leute Unterhaltung/Bildung/eine Festigung ihres Weltbilds.
Ich war gut unterhalten. Vom Buch—ich hatte bis dahin keinen Relotius Text gelesen.
Ob ich dem Journalismus nun paranoider als zuvor gegenüberstehe, traue ich mich nicht zu sagen.
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Kirby mag seine Spielzeugmülltonnen.
In letzter Zeit erzählte er viel. Ich wünschte, zu verstehen was er sagte, weil ich gerne mehr als „Aha, Mhmm und Wirklich“ zum Gespräch beitragen wollte.
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Ich entwickelte die Rolle Acros II, welche ich um zwei Blenden unterbelichtet hatte.
Mit Erfolg.
Also, man erkennt etwas auf den Negativen. Ich wunderte mich, hatte ich doch zuvor noch gelesen, dass Acros sehr empfindlich ist, und ich nach Gefühl die Verweildauer des Films im Entwickler bestimmte.
Durch Zufall fand ich einen „brauchbaren“ Negativscanner in den Kommentaren eines Fotografieblogs.
Seitdem frage ich mich nach der Sinnhaftigkeit der Investition. Wie lange werde ich das Hobby in dieser Form betreiben? Wäre das Geld besser in einer Kamera angelegt? Stecken meine Ziele zu hoch? Und über all dem liegt ein Wort: Wozu?
Die Fotografie ist für mich eine Art des Ausdrucks—eine Sprache. Jedoch scheint keiner meinen Dialekt zu verstehen oder zu mögen. Ich führe ein Selbstgespräch.
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1– „mir steigen die Grausbirnen auf“ = es erregt Ekel
Es gibt auch eine Mostbirnen Art die Grauß heißt.
2– unsyhmpathischer Mensch
3– Asteroids in Exile —asteroidsinexile.com
4– Agfa Family —super8wiki.com
5– Class Relotius —wikipedia.org