vaterfreuden
Und so begab es sich, dass wir uns auf den Weg zu dem Heilsversprechen von Bildungsanstalt machten, die nahe gelegen und pädagogisch optimal sein sollte—letzteres hörten wir von einer von Kirbys momentanen Pädagogen.
Ich kannte die Schule bereits aus der Verwandtschaft, und im Gedächtnis blieb sie mir über die Jahre, weil es damals eine Klosterschule war, und ich noch nie so viele Nonnen auf einem Fleck sah, wie bei einem Schulfest, zu dem wir von der Verwandtschaft eingeladen wurden. Inzwischen wird die Schule nicht mehr durch das Kloster verwaltet, und die Meinungen diverser befragten waren, die Religion spiele keine so übergeordnete Rolle wie damals.
Gleich über dem Eingang prangt ein Banner mit einer Zeichnung, die jemand zeigt, der mit geschlossenen Augen und einem Unwohlsein vermittelnden Gesichtsausdruck auf dem Boden liegt. Neben dem Liegenden kniet eine Person, die in aussehen und Kleidung an das Mitglied der heiligen Dreifaltigkeit erinnert, der ein kanonisches Aussehen—einen Stylesheet—hat und über dem «Ein Christ ist …» stand. Gegenüber dieser beiden Figuren befand sich eine Dritte, welche sich mit schnellen Schritten, gehüllt in einen nicht akkuraten, runden Schatten, davonstiehlt. And den Wänden die typischen Kinderhandarbeiten: ausgeschnittne Blätter, Schneemänner, Jesus am Kreuz. Hier wird einem ordentlich das Gehirn rasiert, sagte ich. Die Frau meinte, sie sehe das nicht so, was mich stutzig machte.
Die Direktorin bat uns und die anderen Eltern, Ihr in einen anderen Raum zu folgen. Auf den Gängen und Türen überall das Gleiche: Heiligenbilder, Kreuze, Handarbeiten die Szenen aus der kinderfreundlichen Fassung der Bibel zeigten.
Während des Vortrags der Direktorin las ich die von ihr erwähnte Schulordnung, wobei mir der Kragen platzte: verpflichtende Teilnahme am Religionsunterricht, in den kreativen Gegenständen wird für den Religionsunterricht und für die Messen gearbeitet. Und in Naturkunde wird die Evolutionslehre negiert? Aber: sobald fünf Schüler einer Religionsgemeinschaft Schüler sind, erhalten sie Unterricht in dieser—der allerdings nur ausserhalb der Schulzeiten stattfinden kann. Kann man nichts machen.
Die Kinder wurden zur Überprüfung ihrer Schulreife in den Raum nebenan gebracht, und wir durften uns mit beim ausfüllen Formularen vergnügen. Dabei sagte ich der Frau, Ich will nicht, das Kirby hier zur Schule geht. Ob ich eine Alternative habe, fragte sie. Da wurde ich unfreundlich. Ich sagte das dies hier ebenso keine Alternative ist, der Brennpunkt hier, ist die Natur der Schule als Indoktrinationseinrichtung, für den Lehrkörper bin ich der Mensch im nicht akkuraten Schatten, der seinen nächsten im Stich lässt. Als die Frau versuchte mich zu beruhigen wurde ich noch ungehaltener. Klar, wenn ich meine Meinung sage, dann bin ich peinlich oder habe Unrecht, aber das ich vor elf Jahren schon sagte, dass wir nur Schulen in der Umgebung haben die Scheiße sind, fällt Euch allen plötzlich nicht mehr ein, sagte ich.
Als die Kinder zurückkamen, setzte sich einer der Prüfer zu uns und erzählte von Kirbys motorischen und mathematischen Defiziten. Spannend, ich konnte vor meinem Schulantritt keine Zahl lesen, und jetzt sollen Fünfjährige sie identifizieren können. Motorisch ist er mit diversen Motopädagogen unterwegs—wir haben die im Bekanntenkreis—und von denen meint jeder dass er nur botschert[1] bzw. unaufmerksam ist. Und wie er Menschen zeichnet … so sind halt Buben, das gewöhnen wir ihm schon ab. Ich biss mir zu dem Zeitpunkt bereits auf die Zunge. Meine Vermutung besteht darin, dass man Kirby nach seiner Meinung zu Gott fragte, und wenn er uns diese Frage stellte, sagten wir ihm, vielen Menschen ist eine gute Beziehung zu Gott wichtig, wir glauben nicht an ihn und kümmern uns nicht darum, was er über uns glaubt. Wenn er eine Version davon wiedergab—was durchaus im Bereich des möglichen ist, schließlich sagte er mir letztens, das Abendessen tangiere ihn nur Teddybär, was er sich bei meinem Vater abhörte—, dann buchen die ihn natürlich in die Vorschule, um ihm mit stilisierter Ikonographie und Geschichten vorzubereiten—dasselbe passierte in meiner Schulzeit im Religionsunterricht. In dem Gespräch mit dem Prüfenden, erwähnte dieser auch seine Abneigung gegenüber des Bildungssystems und verabschiedete sich damit, dass es eine große Ehre war, Kirby kennenzulernen. Da schrie ich innerlich. Was führte diese Person mit meinem Kind auf—ich vertraue offen Gläubigen weniger, als nichtgläubigen, vor allem wenn sie diese Aura um sich tragen, nach der man sich mit Stacheldraht die Hände waschen möchte um das Gefühl, mit Schleim überzogen worden zu sein los wird.
Auf Anfrage welchen Religionsunterricht er den besuchen würde, reagierte man abweisend auf unsere Bitte, ihn wenn schon einmal in alle hineinschnuppern zu lassen.
Auf dem Weg zum Ausgang viel mir auf: für die mehrfache Erwähnung der interdisziplinären Religionsausübung, fanden sich keine anderen als die christlichen Symbole auf den Gängen, dafür ein Fehlwortspiel mit biblischen Ereignissen. Erst auf einer Kreidetafel waren andere Symbole aufgezeichnet. Flexibel halt. Die Buddhisten haben dann halt ausgeschissen, wenn sie unter fünf ausübenden sind, und müssen auf Christ umsatteln. Ist ja praktisch dasselbe.
Vorher erfuhr ich, dass der Frau die Schule ebenfalls nicht gefiel. Wieso konnte sie mir das nicht gleich sagen? Kompromisse? Naja, die Kinder lernen hier auch nichts außer wie super nicht die Christen sind—deren politischer Arm den Kindern zur McDonalds Diät rät wenn das Geld knapp wird—, aber es ist wenigstens keine Brennpunktschule.
Der Gedanke, dass ich mir dies hätte ersparen können, frustriert mich. Genau wegen solchen Dingen wollte ich keine Kinder haben, weil ich in der wenigen Freizeit die ich habe nicht noch die Entscheidung treffen will, mit welchem Hammer auf mein Kind eingedroschen wird, wenn z.B. mein Konsumverhalten ohnehin bereits anderen Kindern das Leben versaut…
—
[1] … Botschrt/Batschert = ungeschickt, undgelenk
