Beschwörungszirkel

Das heurige Laternenfest fand statt. Kirby gab mit jedem vergehenden Tag seit Beginn der Vorbereitungen dafür seiner nervösen Vorfreude nach.
Das Fest verlief überraschend ruhig und effizient. Die Kritik am Fernbleiben mancher Eltern und deren Nachwuchs bleibt mir schleierhaft, es ist ein Abend unter der Woche, daher sehe ich die Möglichkeit an solch einer Feier teilnehmen zu können als Privileg, bei anderen Leuten geht es sich eben nicht aus. Dachten die Kritiker etwa ich will dort sein? Da genug Menschen vor denen ich in ein brennendes Gebäude flüchten würde, und man für 90 Minuten «durch die Zähne» anlächelt. Vor allem die Eltern die eigenes Essen mitbringen, und dann biegt das eigene Kind mit einem deren Mitbringsel in der Hand um die Ecke, ohne nachzufragen ob das in Ordnung sei. Beim Freilauf in der Dunkelheit[1] waren die Kinder nach der vierten Runde entsprechend Abendteuerhungrig und steckten Parkourrouten ab. Die kleinen Affen wollten dabei natürlich wie die größeren Affen klettern und springen und die großen Affen standen daneben und beschworen den Verstand ihrer Kinder, sie zum Umlenken zu bringen. Der Hopkins-Affe war der Erste, der einen Hebeservice für kurzfristig durch die höhe verschüchterte Kinder anbot, und die Einhaltung von Rücksicht einmahnte.
Aber die Kinder hatten eine Gaudi.
Ein großes Lob verdient die überraschend säkulare Organisation; den Kindern wurde vermittelt, dass wir alle Lichter in der Nacht sind, und manchmal andere bei der Hand nehmen können, weil sie unser Licht zusätzlich deren Eigenem brauchen.

Positiv überraschte mich, wie schnell Kirby im Spiel die Regeln des Zusammenlebens zu seinem Vorteil/Gefallen dehnte. Darauf angesprochen hatte er ein Einsehen und verhielt sich danach vertretbar frech.
Ein ehemaliges Kind aus seiner Gruppe nahm ebenfalls Teil, erklärte mir aber es sei nun zu alt um sich grausliche Pizzas auszudenken—kam auch schon im Anzug und führte parallel Telefonate mit dem Büro in Singapur; sie werden so schnell groß.

Ich habe das Konzert aufgenommen, und überraschend gut eingemessen—vergaß darauf Kopfhörer mitzunehmen, und stellte auf Verdacht ein. Ein Zeugnis mangelnder Textsicherheit.

Im nachlesen fiel mir ein: Da war der eine Typ, der «seine Laterne im Arsch» hatte, seinen Hund ohne Leine durch den Park laufen ließ, und dann noch stingert war, weil man auf dem «Hauptplatz» im Beschwörungszirkel aufgestellt sang. In öffentlichen Parks gilt Leinenpflicht.

[1] … Liebe Städteplaner/Architekten/Zuständige, wieso werden öffentliche Plätze nurmehr wie Horrorfilme ausgeleuchtet—trotz LED Beleuchtung?

pädagogischer Ausnahmefall

Der Olympionike—einer von Kribys Freunden— mag die Frau nicht. Was macht man da? Man fragt seinen Freund, ob er seiner Mutter die Kehle durchschneidet. Und falls er es nicht macht, kann er sich die Adresse von einem anderen Kind holen.

Watschen sind nicht gesund, aber manchmal erscheinen sie notwendig.

Humor ist …

Kirby schrieb «PAPA» auf ein Blatt Papier.
«Glaubst du dass ich das geschrieben habe?»
«Ja, du hast dir ja die Buchstaben aus der Kiste geholt, um sie nachzuzeichnen.»
Dürfte die falsche Antwort gewesen sein, er setzte sich grimmig mit einem neuen Blatt Papier zum Tisch. Auf das schrieb er wieder «PAPA», drehte das Blatt aber um 180 Grad bevor er es mir zeigte.
«Glaubst du jetzt das ich das geschrieben habe?»
«Waaaaas!? Neeeeein! Wer bist du? Was hast du mit meinem Kind gemacht?»

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Die Frau: «Ich bin immer X Jahre älter als du.»
Kirby: «Also wenn ich sechs bin bist du?»
«X. Und wenn ich Y bin?»
«Bist du tot.»

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Als ich Kirby vom Kindergarten abholte sprach mich eine Dame auf dem Weg zur Gruppe an.
«Sind sie der Herr Hopkins?»
«Jaaaaaa; sind sie von der Exe- oder Judikative?»
«Weder noch, ich bin die neue Teilzeitpädagogin in Kirbys Gruppe.»
«Hallo, schön sie kennenzulernen. Lassen sie den Herren bitte weg.»
«Kirby beschrieb sie sehr treffend.»
«Achso?»
«Ich fragte worauf ich achten sollte, weil ich sie nicht kenne, und er sagte mir, sie tragen immer ein Arbeitshemd, eine Wekrzeugtasche am Gürtel, eine Brille, und sie schauen grantig.»
«Scheint nicht grantig genug zu sein, wenn sie mich trotzdem ansprechen.»
«»
«Von den schlechten Witzen hat er nichts erzählt…»

olympisches

Eine Aufholjagd.

Vor ein paar Wochen hatten wir unseren ersten Kinobesuch als Familie: vier Episoden der Serie zur Kinderbuchreihe Pettersson und Findus. Leider fand dies in einem Multiplex statt. Mich überfordern diese Orte inzwischen mit ihren sensorischen Eindrücken, wobei ich diesem Multiplex zugute halten muss, dass die Lobby nach oben hin offen ist, und Tageslicht im Beleuchtungskonzept verankert wurde.
Kirby bekam Popcorn—ich war wohl das einzige Kind auf der Welt, das im Kino nichts essen wollte—, und war in unserer Gruppe der einzige, der dieses nicht auf dem Boden verteilte.
Da es ihm so gut gefiel, waren wir am vergangenen Wochenende wieder im Kino; dieses Mal allerdings zum Bilderbuchkino—ausgerichtet von Glanz.Stücke im Filmcasino—, dabei werden drei Bilderbücher auf der Leinwand gezeigt und von Live Musik begleitet, während der Text wird vorgelesen wird. Welch eine angenehme Dreiviertel Stunde das war. Man nimmt an, dass die Kinder dort schon ordentlich Gas geben werden, aber es war überraschend ruhig. Einzig Kirby viel durch «Zwischenrufe» auf—bedingt durch die Schwerhörigkeit, fragte er oft bei uns nach. Sowohl der Frau als auch Kirby gefiel das Ambiente. Die Frau merkte an, dass es im Kino nach «nichts» roch.

Mit Kirbys Gehör geht es auf und ab. Im April entschied sich endlich: Zurück zum Beginn und einen Termin in einem Spital ausmachen—die momentane Wartezeit auf eine Erstbegutachtung liegt bei fünf Monaten. Aber jetzt wird dann hoffentlich endlich «etwas gemacht»…

Kirby ist damit beschäftigt Grenzen auszutesten—wie jedes Kind in seinem Alter. Nur kommt seit neuestem ein Faktor hinzu: sein Frust über die Welt bzw. deren Umgang mit ihm. Er will Freiheit, und wie die Meisten es aus eigener Erfahrung wissen bedeutet das z.B. «Ich will eine Tafel Schokolade essen … zwei Mal am Tag.» Noch ist es nicht so weit, und er bevorzugt Gemüse, aber ich denke man kann es nachvollziehen. Und dann sind da andere Kinder, die im olympisches Gold bei «Lebenslang Arschloch» anstreben, deren Verhalten ihn irritiert. Mit einer der Ritzen war er sehr gut befreundet. An dem Kind sieht man, wie sehr wir unsere Kinder beeinflussen, egal wie selbstständig und/oder fest in sich verankert sie wirken—der Vater arbeitet die ganze Zeit, und die Mutter meint, einem Ideal entsprechen zu müssen, dass es in unseren sozialen Zirkel gar nicht gibt. Mit Covid19 haben sie sich eine Stellung bei anderen olympischen Athleten erarbeitet, die ihrer Fantasieposition an den Hebeln der Macht gleicht, weswegen deren Kind nun jedem Einredet Schuld an seinem eigenen Unglück zu sein, nebst der Scheiße die es selbst baut. Und Kirby nahm sich das zu Herzen, soweit, dass er auf Aufforderung des Olympioniken Süßigkeiten aus der Tasche eines dritten stahl, während der Olympionike einen Erwachsenen über die Tat informierte, um Kirby auch ja zu erwischen. Was wird dem erst in der Schule einfallen. Nun, Kirby ist auch kein Waserl, und bevor der Tathergang vollends geklärt war, war ich davon überzeugt, dass er dies auch ohne externe Motivation getan hat, was dazu führte, das Kirby etwas aus seinem Naschfundus an die Bestohlene abgab und wir sein Rechtsverständnis besprachen—mit einem Hinweiß das Lebensmittel stehlen in Ordnung ist, wenn man z.B. Obdachlos ist. Dann standen wir erst einmal alle angeschissen da, und die Royals aus Impfverweigensdorf erklärten deren volle Hose damit, dass die Gesellschaft sie füllte—was Streckenweise stimmt. Hach, daran kann man sich ewig abarbeiten, und der Olympionike ist die ärmste Sau in der Kausalkette, weil er es nicht anders sieht … trotzdem hätte ich gerne «Du dummes Arschloch hast Captain America auf deinem Leiberl, würde der Iron Man dazu anstiften, dem Hulk die Schokolade zu stehlen?» zu ihm gesagt. Wir boten ihm am, dass er uns besuchen kann, wogegen Kirby sich quer stellt. Mir solls recht sein.

Am letzten Uni-Wochenende der Frau hatte ich den Fall den ich sonst nur von ihr kannte: Kirby wacht panisch auf, und will vom anderen getröstet werden. Ich hatte Glück, mit Widerwillen ließ er sich von mir «beruhigen»—er raunte sich in den Schlaf.

Wenn jemand plant, die Kindervariante des Fire Tablets zu kaufen, macht es nicht. Da hat man nur ein alternatives Front End auf Android geklebt, und man setzt das Kind trotzdem in ein Boot mit einem Loch, das nachts in einem Meer aus Exkrementen treibt. Wir wollten für die langen Fahrten ein Tablet, welches Robust ist und uns eine gewisse Sicherheit dahingehend gibt, dass eine Schranke da ist, wenn wir einmal nicht hinschauen.
Apropos: bisher nahm ich Kirbys Furchtverhalten nicht wahr. Wir probierten eine Episode von Der kleine Drache Kokosnuss aus—da mag er die Bücher—, welche ihm nicht geheuer war. Und er teilte dies auch klar mit seinem Verhalten mit, ich interpretierte dies bisher als Juckreiz. Vater des Jahres…

Apropos: Wer Bücher für Kinder sucht, und Auffallen will, hier eine Liste von Kirbys Favoriten—sehr Zeichner-/Autorenlastig ist er:

Ich muss auch auf einen Termin bei einem
Doktor warten, für eine Diagnostik. In den letzten Monaten schien die Frau ein paar Feldstudien über meine Person zu betreiben, die sie von einem dritten Überprüfen ließ. Der «bestätigte» ihren Verdacht: ich könnte merklich auf dem autistischen Spektrum stehen. Es könnte so viele meiner Schwierigkeiten erklären. Die Frage ist nur: was macht man mit der Diagnose? Zuerst muss einmal eine her.

Seit Beginn des Jahres schränkt mich die Kolitis wieder mehr ein. Schübe dauern Wochen, nachts werde ich panisch mit Übelkeit wach, ich muss mir Wecker stellen damit ich esse, weil ich ein Hungergefühl nicht mehr von Unwohlsein unterscheiden kann.
Mir fehlt die Motivation, mit Ärzten darüber zu sprechen. Es wäre schön, eine Lösung zu haben, aber vor 20 Jahren schickte man mich nur mit «Sie müssen halt ein wenig ruhiger werden; wenn sie erst 40 sind, erledigt sich das von selbst.». Die 40 liegt hinter mir und ich bin wieder beim Start.
Ich streite nicht ab, dass meine Beschwerden auch psychosomatischer Natur sind, wie sollte es auch sonst sein, mit dem allgegenwärtigen Druck von Außen und von Innen. Ich soll die Freizeit zum entspannen nutzen, welche denn? Zu Hause nimmt mich ein Kind in Beschlag, wenn ich mich vor der Welt verstecken will, und eröffnet mir—wie oben erwähnt—eine ganze neue Welt von Problemen, nebst der Möglichkeit noch mehr Menschen kennenzulernen, die meinen ich sei deren Monologlauscher. Und wenn nicht Kirby, dann ist es die Frau die meine Gedanken schwerer werden lässt—nicht weil sie lieblos ist, im Gegenteil, aber weil ich ihr schwerer werde, und mich dafür schäme.
Im professionellen Alltag kritisiert man meinen Einsatz für meine Familie, in den Medien kritisiert man mein Geschlecht dafür nicht genug Einsatz zu zeigen, was ich Unterschreibe, aber so unglaublich frustrierend ist … eh wie für die Frauen. Wieso beschwere ich mich eigentlich…