smile, smile

Der professionelle Alltag verkündete, uns einen angepassten Gehörschutz zur Verfügung zu stellen. Vor Jahren ließ ich mir bei einem Akustiker Einsätze für Monitorkopfhörer anfertigen, wofür je ein Abdruck meiner Gehörgänge angefertigt wurde—allerdings erst bei einem zweiten Versuch, denn ich hatte darauf vergessen, dass meine Gehörgänge eine unübliche Form haben. Dies führt zu Schmalzlagern, welche u.a. bei Vernachlässigung wie ein Polster das Gehör beeinträchtigen. Der Akustiker von damals unterstelle mir—mit Humor—mangelnde Hygiene, und einen solchen Kommentar wollte ich mir dieses Mal ersparen. Ich beschloß, mir dieses Mal die Achseln eine Woche lang nicht zu waschen1. Der Ohrologe2 meines Vertrauens schob mich für eine Schachtkontrolle zwischen zwei Termine—«Mei Kalenda is voi—i sogs da Hopkins, de Leit san auf amoi olle derrisch.»3 erklärte er mir —, musste ich zwei Stunden warten. Mit FFP2 Atemschutz und stehender Luft—trotz geöffneter Fenster und Türen am jeweils anderen Ende der Praxis—war dies nicht prickelnd. Nach zwei Jahren aber notwendig. Ich war der Meinung, beim Gehörtest versagen zu werden, «bestand» aber doch mit einem ähnlichen Ergebnis wie im letzten Jahr—vor zwölf Jahren fehlten mir 27% meines Gehörs in den hohen Frequenzen. Dieses Ergebnis bezweifle ich, denn ich bilde mir ein, vor mir bat man den Gitarrist meiner einstigen «Band» in den Behandlungsraum. Der Name klang ähnlich, nur «verstand» ich ihn nicht. Falls er es war, frage ich mich, ob er mich erkannte; mit Glatze bin ich doch erst seit kurzem unterwegs. Und jetzt fällt mir ein, dass ich der Einzige in der Familie bin, der hochfrequent fiepende Netzteile aus dem Nebenzimmer hört. +++ Während ich im Wartezimmer las, erinnerte mich der Straßenlärm im Hintergrund, mich einmal über Flare’s Calmer Ohrstöpsel schlau zu machen. Die sollen auch dabei helfen, Gespräche besser zu verstehen, indem sie den Gehörgang «verkleinern». Deren Gehörschutz wird von mir seit deren ersten erscheinen genutzt, und wie oben erwähnt, mein Gehör erholte sich seitdem. Ich denke, das hängt eher damit zusammen, weil ich seit der Diagnose konsequenter als davor einen Gehörschutz trug, aber wenn jemand einen sucht: Kann man kaufen, funktioniert bestens. Von den Calmer Einsätzen erhoffe ich mir, dass sie besonders im Umgang mit Kirby helfen. Seit ein paar Jahren reagiere ich empfindlich auf bestimme Geräusche—vor allem Menschengemachte—und desorientieren mich «auditiv aktive» Umgebungen. Nun las ich, dass es verschiedene Produkte gibt, welche dabei helfen, den ankommenden Schall zu filtern. Wie gesagt, der Gehörschutz funktionierte bisher. +++ Im Wartezimmer begann ich damit The Astro Boy Essays zu lesen. Im vergangenen Jahr las ich Osamu Tezuka’s Biografie, und dachte mir, ich könnte mich jetzt seinem Werk und der Auseinandersetzung damit durch Menschen mit mehr Sachwissen als mir widmen. Die lokale Bücherei hätte sogar Buddha lagernd, und ein paar Bände von Black Jack stehen noch ungelesen im Regal. Apropos Tezuka: Bei Carlsen erschien Pluto, das auch Tezuka’s Astro Boy basiert. Ich las den ersten Band, und fand die Übersetzung wie immer sehr «steif»—jeder in der Geschichte wirkt wie ein Roboter. Aber: das ist mein Standardproblem; was mich irritierte ist, dass auf dem Cover Werbung für Astro Boy gemacht wird, man den aber nicht im Programm hat oder—zumindest aufgeteilt auf die Bände—in das Zusatzmaterial integriert. Aber es hat einen Grund, dass ich keine wichtigen Entscheidungen bei einem Verlag treffe. Ich finde es nur Schade, dass man Leute im Regen stehen lässt. Außerdem nahm ich Secrets of The Force – The Complete, Uncensored, Unauthorized Oral History of Star Wars in meine Leserotation auf. Und bereute es nach den Vorworten. Wieso müssen Genrefreunde—inklusive mir—immer erwähnen, dass es damals noch notwendig war sich z.B. vor dem Kino in die Schlange zu stellen, und das Gefühl zu vermitteln, seine Kindheit/Jugend in einer besseren Zeit verbracht zu haben? Will man «seine Spielsachen» nicht mit der neuen Generation teilen, oder neidet man der Jugend das erste Mal? Ultraman Trigger hatte seine Premiere, und mit Episode 2 gefällt mir die Serie besser; die erste Episode war … zach. Es steckt Liebe und Freude in dieser ersten Episode—man merkt, Tsuburaya hat wieder ein wenig mehr Spielgeld—, aber die leuchtende Frau und Auserwählte, deren Motto «Smile, Smile» lautet, und die beim lächeln tot wirken, begeisterten mich nicht. Aber dafür wird es noch eine Erklärung geben—keine Verarbeitung des Erlebten, nur eine Nacherzählung. Dem Spielzeug konnte man dabei zuschauen, wie es aus den virtuellen Regalen gerissen wurde. Ich dachte mir, die Figuarts Figur von Trigger schaut gut aus und ist preislich in Ordnung. Aber ich fand sie nurmehr mit 50% Preisaufschlag bei ebay. Steht ohnehin schon genug Zeug herum. +++ Kirby erschrak, als ich Ihm den Sinn eines Rollstuhls erklärte. In einem seiner Bücher ist eine Familie mit zwei Kindern, von denen eines im Rollstuhl sitzt, auf dem Spielplatz, und er fragte, ob das andere Kind auch damit fahren darf. Die Erklärung, dass das Kind nicht mehr gehen kann. Da sah man Ihm an, dass gerade die interne Realität erweitert wurde. Ein paar Tage danach sahen wir einen Herren, der sich im Rollstuhl die Straße entlangbewegte. «Beine kaputt.» schlussfolgerte Kirby. Minuten später sagte Kirby zu mir «Beine wieder gut, Mann schiebt Rollstuhl.»; und tatsächlich, der Herr befand sich nun hinter seinen Rollstuhl, und wartete auf eine Pause im Verkehr, um die Straße zu queren. Kirby schlug versehentlich die Autotüre zu, während ich meinen Kopf zwischen Tür und Rahmen hatte. Daraufhin fiel mir nichts anderes ein, als schnell die Garage zu verlassen, um mich an deren Außentür abzureagieren. Vielleicht rief ich auch etwas wie «Was soll die Scheiße?»—ohne eine Antwort darauf zu erwarten. Als Wiedergutmachung wurde ich gestreichelt und musste nicht mitkommen, wenn er ein neues Buch lesen wollte. Später an diesem Tag fuhren wir ein paar Runden auf einem Karussell. Die Betreiberin ist eine … Wienerin wie sie im Lexikon zu finden ist, aber Kirby knackte sie mit seinem Enthusiasmus und bedankte sich dafür, dass er die Straßenbahn benutzen durfte. Um eine Überraschung für Kirby zu kaufen, suchten wir einen stationären Fachhändler auf. Im Endeffekt hätten wir das Ding auch beim nichtstationären Handel kaufen können, weil der billigere Preis nur für die Kunden in Deutschland galt—immer schauen auf der Dependance welches Landes man unterwegs ist. Egal, es gab uns Zeit das Produkt in Ruhe zu befingern und Kirby konnte ein wenig Zeit mit seinen Großeltern verbringen, was er sich ohnehin wünschte. Nachdem wir eine Entscheidung über Kirby’s Überraschung trafen, drehte ich eine Runde zu den Actionfiguren. Auf dem Weg dorthin, kam ich an den ferngesteuerten Fahrzeugen vorbei, wo eine Gruppe männlicher Männer mit den Söhnen stand und den Angestellten das Verkaufsgespräch abnahmen. Eines der Kinder bog anscheinend unbemerkt zu den Actionfiguren ab; und während ich noch in freudiger Überraschung das Masters Of The Universe Origins Regal betrachtete, hörte ich mit an, wie der Vater seinen Sohn dazu bringen wollte, seine Entscheidung für das ferngesteuerte Auto zu festigen. Ein Satz stach dabei besonders heraus: «Aber wir haben beschlossen, dass du das Auto haben willst.» Wie oft ich diesen Satz nicht schon hörte, weil meine Eltern meinten, ich wäre zu alt für Spielzeug. Alle Ferngesteuerten Autos landeten bei mir am Ende im Mist bzw. wurden verschenkt, weil ich lieber zu Hause mit Figuren spielte. In der Situation dachte ich wieder an den Moment am ersten Force Friday im Jahr 2015, als der Vater seinem Sohn «Der Neger?» fragte, als dieser sich eine Finn Figur aussuchte, und ihm Constable Zuvio als Alternative vorschlug4. Ich hoffe, dass ich mich da bei Kirby heraushalte. Bisher funktionierte es, aber andere Eltern beäugten uns—subjektiv gesehen—wenn mir durch die Barbie Regale schauen. Er mag die Pferde und Autos. +++ Der Trailer zur Dokumentation über den Schauspieler Val Kilmer ist da, und erschrak mich damit, wie der Kehlkopfkrebs ihn hinterließ. Ich legte mir als Gegenprogramm Top Secret!—Kilmer’s ersten Film—auf. Aber das lenkte mich auch nur für seine Laufzeit davon ab, dass die Zeit ein Raubtier ist. +++ Ich würde gerne endlos darüber sudern, welch beschissenes Theater die österreichische Innenpolitik liefert… Aber auf dem Erdenrund schaut es beinah überall ähnlich aus: die Völker der Erde legitimierten den Dreck auf ihren Tellern. Und anstatt den Kopf in der Wahlkabine einmal schief zu halten 5, sitzt man jetzt an den Stammtischen, und erzählt sich von Umvolkung durch Schattenregierungen und/oder Außerirdische, (Paprika)Chips in Impfstoffen, welche Nichtgeimpfte vergiften, aber nicht davon, dass die freie Wahl auch die falsche Entscheidung beinhaltet. Und die Menschen, von denen man annimmt sie hielten den Kopf öfter schief5 sind genauso enttäuschend. Z.B. erklärte mir der Besitzer einer kastrierten Katze «Tiere haben Rechte!». Aber ich bin ebenso schuld an Tierleid, mit der Verlängerung meiner Jahreskarte für einen Zoo. —
1 – Das ist natürlich nur ein Scherz. Bei der aktuellen Wetterlage stinke ich ohnehin wie ein Iltis, wenn ich beim Akustiker eintreffe. 2 – Der Begriff des Ohrologen wurde als humoristischer Ersatz für den Hals-Nasen-Ohren—HNO—benutzt. 3 – «Mein Kalender ist voll. Ich sag es dir Hopkins, die Leute werden auf einmal alle schwerhörig.» 4 – Der dann aus dem Film geschnitten wurde, aber dessen Design ich bis heute noch sehr mag—so sehr das ich drei Spielzeugversionen von ihm in meiner Sammlung habe.

5 – Man sagt hier «Halt einmal den Kopf schief, damit das Hirn zusammenläuft.»

:: journal ::

mit Plastik

Übers Wochenende belichtete ich wieder eine Rolle Film aus. Beim entwickeln kam es mir vor, als hätte ich einen Rhythmus gefunden.
Den Film brachte ich zum Labor meines Vertrauens um die Negative scannen zu lassen. Dabei holte ich die letzten Negative wieder ab, und bin dabei überrascht worden. Obwohl ich „nur ein kleiner Kunde“ bin – beim letzten Film wohnte ich der Rechnungsstellung eines Profis bei, 15.000,— – erkennt man mich schon wenn ich auf der Straße daherkomme und bereitete alles vor. Ich durfte mir sogar selbst die Bezahlung mit Plastik einrichten.

Ich bin neugierig auf die neuen Scans. Dieses Mal habe ich mich dabei ausgelassen, die Dehnbarkeit des Belichtungsdreiecks1 herauszufinden. Film hat eine größere Latitüde als digitale Dateien, kommt mir vor. Aber „schlecht“ Belichtet – ausserhalb der Toleranz – lässt sich nicht retten.

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Kirby holte sich beim Besuch im Spielzeughandel einige Artikel aus den Regalen, die Overtüre für ein Schreikonzert, nahm ich an. Zu unserer Überraschung, stellte er Alles wieder an seinen Platz nachdem wir Ihn dazu aufforderten.
Dazu musste ich mich durchringen. Andererseits, in dieser Situation wäre ich sowohl das am Boden strampelnde, trotzige Kind und sein Erwachsener gewesen – und die Leute wirkten mir unangenehm interessiert an meiner Begeisterung für die Siege Transfomer Figuren mit den Farbdekos der Netflix Serie…

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Schwiegermutter hat sich eine Dunkelkammer eingerichtet…jetzt raufen wir um einen Termin an dem wir kichernd Fotopapier belichten können.

Dem Ex-Schwiegervater kauften wir einen digitalen Bilderrahmen ab – und Kirby ist begeistert. Seine Fotowand ist inzwischen voll, so kann er sich durch das Archiv arbeiten.

1– dofoto.de

Henkersmahlzeit für Allergiker

Eine unbekannte Nummer schreibt uns an „Der Schwiegervater schickt Euch einen Dank, habe ihn vor der Tür abgestellt.“
Eine weitere Nachricht stellt klar, es handelt sich um ein Dankeschön von einem der Nachbarn für die wir einkaufen – eine Henkersmahlzeit für Allergiker: Wein und Schokolade[1].

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Die Frau tätigt eine Überweißung per Foto. Habe mich daraufhin darüber schlau gemacht, wie das funktioniert. Siehe da: Es steckt keine KI dahinter, sondern nur I. Mit dem Benutzen des Service stimmt man zu, dass die Übermittelten Daten von einem datenverarbeitendnen Unternehmen weiterverwendet werden. Also wird jemand der hoffentlich mehr als ein halbes Butterbrot am Tag verdient die Daten für mich in die Maske meiner Bank eintragen und zur Erledigung weitersenden.

Meine Eltern verschicken Ostergrüße per Link zu einer Adresse, die mir Dubios erscheint. Wie ich vermutet habe, Schadsoftware. Letzte Woche hat mein Vater noch über den Striptease auf social media gelästert…

Kein Wunder, warum die Digitalisierung nicht vorranschreitet. Auf der einen Seite setzen Firmen nur weitere Menschen vor weitere Maschinen, auf der anderen Seite braucht jeder einen digitalen Sachwalter. Und in der Mitte sitzen die ganzen Experten die von beiden Seiten – gefühlt – wenig Ahnung haben.

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Kirby hat sich beim einschlafen schwer getan.
Oder er hat sich gegen den Schlaf gewehrt.
Nach 40 Minuten war ich mir da nicht mehr so sicher. Ich habe den Eindruck, das die Frau meine Erziehung zu weich findet – Sie spricht Ihn streng an und er legt sich zum schlafen hin. Wenn ich Ihn streng anspreche tut sich nichts. Also habe ich gegen den Lattenrost des oberen Betts – es ist ein Stockbett – getreten.
Eine Minute später hat Kirby geschlafen.
Nehmt mir das Kind weg…

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Derzeit erscheint es mir so, als wolle man mich ärgern wo es geht.

Zu Hause finde ich keine Ruhe.
Und ich bin so wütend, weil es sich so abspielt, wie ich es befürchtet habe.
Ich hatte die Chance, mich zu trennen, und habe sie nicht genutzt.

In der Chatgruppe der Mitstreiter des professionellen Alltags werden inzwischen Witzvideos usw. verteilt. Es ist frustrierend, das meine Kollegen nicht einmal in diesen Zeiten professionell agieren – außerdem will ich meine Ruhe von denen haben, wenn ich nicht am Arbeitsplatz bin und es nicht um Leben und Tod geht.

Wie oben erwähnt: meine Eltern verbreiten Schadsoftware, und argumentieren mit: Woher soll ich denn wissen, dass das schlecht ist? Wenn einem auf der Straße ein Wildfremder Osterkarten für die installation einer Kamera in der eigenen Wohnung anbietet lehnt man das Angebot dich auch ab. Oder?

Lange dauert es nicht mehr bis zum Geburtstag meines Schwagers, und ich weiß nicht, welche Art von Hilfe die Schwiegermutter von mir braucht.

Alles, was man mir rät ist: Kopf hoch, es wird schon werden.


[1] ich trinke keinen Alkohol und esse keine Milchschokolade mehr – die Frau mag allerdings ab und an Milchschokolade.