Wände

journal // vaterfreuden // depression // gesundheit

Mit Kirby und der Stiefnichte lief es großartig; die Hosen fielen gleich nach ihrer Ankunft, weil sie ein gemeinsames Bad nahmen. Im Laufe des Abends merkte man ihnen an, dass die Freude und vorausgehende Nervosität auf ihr Treffen groß war—bei Kirby kann ich es bezeugen—, denn sie wurden immer grantiger und auch bösartig, wenn etwas nicht ihrer Vorstellung entsprach. Leider konnte der junge Schwager sie nicht früher vorbeibringen, da dieser nach seinem Nachtdienst Schlaf nachholen musste, und wir die Zeit zur Vorbereitung nutzten. Sie kamen dann noch später als vereinbart weil Schlaf und Hund und Leben; jedenfalls waren sie da, als die Sonne sich merklich verabschiedete, und die Kinder wollten alles aufholen. Dazu erfuhr ich, dass die Stiefnichte kein so strenges Schlafregiment wie Kirby genießt, und sichtlich verwundert über unsere Strukturen war.
Ich las den Beiden vor, ließ sie jeweils ein Buch aussuchen, von denen wir eines sogar ganz lasen.
Beim einschlafen merkte die Stiefnichte wie groß ihr Heimweh war; ein Telefonat später erreichte uns der junge Schwager im Pyjama, und nahm sie wieder mit. Zu dem Zeitpunkt wollte sie dann aber weiter mit der Frau und mir Uno spielen.
Kirby war enttäuscht, schien es sich aber nicht zu Herzen genommen zu haben—jedenfalls hoffe ich es. Ließ ihn dafür meine Haare nachschneiden—der Irokese blieb, lediglich am Hinterkopf vergrößerte er die rasierte Fläche—, und wir besuchten eine Zaubervorstellung1. Wir schauten ein Programm für … Kinder im mittleren Schulalter, die gut war, aber in der zweiten Hälfte viel Füllmaterial bot, welches mich »aus dem Takt« brachte.

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Gesundheitlich geht es mir schlecht. Verließ den Arbeitsplatz ein Mal gleich nach meiner Ankunft, weil ich meinte mein Blinddarm wäre reif für die Ernte gewesen. Man kam zu dem Entschluss, es wäre Luft gewesen, die nicht entweichen konnte. Zwei Wochen später hatte ich die Schmerzen wieder, dieses Mal so stark, dass ich das Bewusstsein verlor. Die Frau fing meinen Fall auf und verständigte die Rettung. Als ich wieder bei Sinnen war—eine Minute später—, waren meine Hände verkrampft, was wohl auf eine »Panikattacke« hindeutet. Im Krankenhaus bekam ich einen Tropf mit etwas entkrampfenden und wurde dann wieder mit »Ist wohl ein bissl Luft quer gestanden.« nach Hause geschickt. Wegen der konstanten Schmerzen und des Unwohlseins esse ich noch weniger.
Nebenbei bin ich bei einer … berufserhaltenden Maßnahme, bei der das Fachpersonal mir zum Besuch einer Reha riet. Dafür brauche ich den Antrag eines Facharztes; nur bin ich von meinem Psychiater nicht sonderlich begeistert. Da gibts nur Psychopharmaka, auch wenn man Angst vorm Scheißen hat—und mir wurde versichert: das Präparat bringt dich auf den Topf—bekommt man die verordnet. Ich darf nicht zu negativ von dem berichten, im Grunde hat der Psychiater Recht, man könnte etwas tun. Es scheint nur so, als wäre der einzige Weg aus dem Freiluftgefängnis zu dem mein Leben in den letzten Jahren wurde, darin liegt es aufzugeben, denn die Türen wurden zugemauert.
Falls die Reha gute Ansätze bietet, kann ich diese in meinen Alltag integrieren? Das medizinische Fachpersonal geht davon aus, das ich acht Stunden am Tag im Büro sitze, und glauben erst nicht, dass ich praktisch zu jeder Tageszeit an jedem Tag arbeite, und es nicht möglich ist, Ordnung in mein Arbeitsleben zu bringen… Und jetzt bin ich zu deprimiert und die Verzweiflung beginnt wieder, sich zu drehen.

8 Kommentare zu „Wände

  1. Das klingt für mich alles sehr seltsam mit den Diagnosen. Du hattest Schmerzen bis zum Gehtnichtmehr und die sagen einfach nur: Blähungen??? Und beim zweiten Mal, als Du ohnmächtig wurdest, gilt es als Panikattacke und wiedermal Blähungen? Ich verstehe überhaupt nichts mehr. Seit wann wird man von Blähungen ohnmächtig? Das hab ich auch noch nie gehört. Außerdem: Wenn es wirklich schlimme Blähungen waren und sie wirklich eine Ohnmacht oder Panikattacke ausgelöst haben, muss man doch nach der Ursache suchen? Eine Unverträglichkeit vielleicht? Und welche?

    Das mit der Reha wäre vielleicht echt gut. Da hört man gute Sachen drüber. Den Psychiater kann man auch wechseln, wenn er einem nicht taugt. Kann mir vorstellen, dass das in Österreich genauso ist wie bei uns.

    Ich wünsche Dir gute Besserung, Deinem schmerzenden Bauch und Deinem Gemüt! Und ein bisschen Licht in Deiner Seele. Und einen guten Arzt, oder besser: mehrere! 🌞🙂🍀

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    1. Vielen Dank!
      Da kommt meine Mangelernährung, Angst vorm Arbeitsplatz, Arbeitsstress, Familienstress, und die Aussicht darauf, dass sich nichts verbessern wird. Vielleicht sollte ich wieder mit den Ärzten diskutieren.
      Laut Tests sollte es keine Unverträglichkeiten geben.
      Aber es stehen noch Besuche beim Internisten und Neurologen aus.

      Die Reha klingt gut, aber der Gedanke, acht Stunden an einem anderen Ort mit stinkenden, lärmenden Fremden eingesperrt zu werden.

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      1. Hallo Hopkins! Alles okay mit Dir? Dein Blog scheint plötzlich gelöscht zu sein! Die Frau Frogg hat mich darauf aufmerksam gemacht. Wir machen uns Sorgen um Dich!
        Liebe Grüße in den Untergrund und komm doch bitte wieder nach oben!

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      2. Entschuldigt bitte, dass ich Euch Sorgen bereitet habe! Ich vergaß nur darauf, die Rechnung für die Web Adresse zu bezahlen; sollte jetzt wieder da sein.

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  2. Oh nein, das ist alles sehr undurchsichtig und beunruhigend – vor allem das mit den grossen Schmerzen und der unbefriedigenden Diagnose, und das mit dem Gefängnis kann ich gut nachvollziehen. Sackgasse halt. Aber wenn ich denke, aus wie vielen Sackgassen Du Dich schon wieder rausgepfriemelt hast, habe ich immerhin die Hoffnung, dass Du es auch diesmal schaffst.

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