Gewohnheiten

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Sonntag, 04:30. Auf dem Weg prostete mir die diensthabende Ärztin des Altersheims mit ihrem Kaffee zu. Im Schatten wirkte ihr Kittel blau.

Bei der Mistkübelstrecke stellte jemand ein paar Möbel ab, welche von einer Ratte durchsucht wurden. Trotz meiner Bemühungen darum leise zu sein, bemerkte sie mich und lief quer über den Weg in die Büsche.

Mit der Zeit fiel mir auf: die Vögel zwitscherten. Es fühlte sich nicht nach Februar an. Wann fühlte sich etwas das letzte Mal «gewohnt» an?
Im anderen Ohr erinnerte mich Filmkritiker Mark Kermode daran, dass ich The Iron Claw schauen wollte. Ich notierte mir, Fighting with my family und Cassandro nachzuholen.

Sturm und Drang

journal

Als die Straßenbahn in der Unterführung wegen eines Schadhaften Zuges ein paar Stationen weiter halten musste, erinnerte mein Körper daran, dass unsere Blase seit 25 Stunden nicht geleert wurde. Dann wird’s aber Zeit, dachte ich, und begann damit, nervös die Zehen in meinen Schuhen zu bewegen.

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Der Sturm der letzten Tage schien, das Regenwasser aus den Lacken am Straßenrand zurück in die Wolken pressen zu wollen.

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Die ältere Schwägerin fragte uns, wie die Schwiegermutter mit Kirby umging, denn wie sie mit dem älteren Neffen umgeht kann nicht so weitergehen. Ein Beispiel genügte mir bereits, um mich in ihrem Standpunkt einzumieten. Wir haben in den kommenden Tagen ein Treffen mit der Schwiegerfamilie, da wird das wohl angesprochen werden—müssen.
Daraufhin fragte ich Kirby wie es denn mit ihm und Oma sei. Er antwortete mir, sie hörte auf sein Nein. Der ältere Neffe ist leider nicht alt genug um sich entsprechend zu artikulieren … aber die anderen Anzeichen müsste man als Erwachsener wahrnehmen und interpretieren können? Oder? Mich mag der ältere Neffe nicht besonders, und es ist ok, wenn er diesen Blick bekommt, verabschiede ich mich und verlasse den Raum bzw. lasse ihm mehr Raum.

Apropos Schwiegermutter: Nach ihrem langen Aufenthalt in Indien, brachte sie Kirby eine kleine Figur mit. »Oh, Ganesha, da wird er sich freuen.«
»Du kennst ihn?«
»Ja, die Mahabharata liegt auf einer Festplatte, ich habe sie nur noch nicht ganz gelesen.«
Ich weiß nicht, wie ich den Gesichtsausdruck der Schwiegermutter nach meiner Antwort hätte deuten sollen. Sie war überrascht, aber ob positiv oder nicht war mir nicht klar.
Mein Wissen über Teile der indischen Mythologie setzt sich allerdings nur aus der popkulturellen Aufarbeitung dieser zusammen, die in Grant Morisson’s 18 Days stattfand—der Bildband war großartig, das Comic und die »Motion« Serie ließ einen … mehr erwarten.

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Es ist schwer, Kirby zu vermitteln wie privilegiert seine Weihnachtsfeiertage waren. Aber wie soll man es ihm beibringen? Urlaub im Kriegsgebiet? Es frustriert mich.

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Aber was mich viel mehr frustriert, ist das Spielzeug zum Paw Patrol Franchise. Kirby bekam davon ein paar Sachen im Herbst geschenkt, von Bekannten von uns, deren Kinder das Interesse daran verloren hatten. Die versammelte Großelternschaft schenkte ihm zwei Artikel zu Weihnachten.
Eines muss ich hier voranstellen: Ich bin mit Spielzeug zu Franchises aufgewachsen. Was Spin Master hier macht, ist ein Tritt ins Gesicht von Kindern und Eltern. Es gibt keinen Maßstab, der die Reihe verbindet, nur allen möglichen Krimskrams in verschiedensten Größen und Ausführungen, lieblos produziert. Wieso statte ich ein Spielset mit einer Arrestzelle aus, wenn dies in der Ganzheit der Serie nicht einmal vorkommt? Wieso ist diese Zelle nicht groß genug, um das Spielset wieder in seinen Ursprungszustand zu versetzen, wenn eine der mitgelieferten Figuren darin steht? Wieso sind die Betten in der Kajüte nicht groß genug, um eine Figur hineinzulegen? Wieso kann ich die Brücke des Schiffes nicht schließen, wenn ich eine der mitgelieferten Figuren hineinstelle? Beim Radargerät war wohl geplant, den Bildschirm
mittels eines Rades drehen zu können, am Ende wurde alles ein Teil auf dem eine Scheibe aus blauem, transparenten Kunststoff geklebt wurde.

Da bin ich von dem Hot Wheels Zeug positiv überrascht, dass wir ihm schenkten. Ja, es ist Plastikmüll, aber zumindest mit Details und in sich stimmig. Der Reifenstapel bei einer Auffahrt ist ein Detail, über dessen Betrachtung ich mich noch jedes Mal freute.

Sind sie nicht wunderschön?

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Kirby wünschte sich bereits im Herbst ein Buch von mir: Der Totenkopf. Über die Feiertage fragte er mich danach, es ihm vorzulesen. Anfangs dachte ich noch, dass es wohl eine unruhige Nacht werden würde, wenn er das vorgelesene im Traum verarbeiten würde, aber dann nimmt die Geschichte eine Wendung, und das Ende ist ein … für den Moment gutes Ende. Es ergibt sich eine Freundschaft, dass ist doch etwas gutes. Ich kann es nicht uneingeschränkt empfehlen, aber wenn man sich ein wenig gruseln möchte, und Spannung aushält, ist es geeignet.

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Aus welchem Grund auch immer lieh sich niemand die letzten fünf Bände von Billy Bat in den letzten Tagen aus, was mir die Möglichkeit gab, es in den Mittagspausen dieser Woche zu Ende zu lesen. Da werde ich hoffentlich noch Worte dazu finden.

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Ich hadere mit einer anstehenden Untersuchung—der Vorbereitung dafür. Ich sehe auch meinen Sinn mehr in dem Versuch meinen Zustand zu verändern, dafür wurde ich in den letzten Tagen wieder zu oft daran erinnert, dass es wohl besser wäre, ich würde weniger mit meiner Angst vor dem Selbstmord hadern.

Wenn ich dieser Tage kreativ schreibe, dann meist über Familien, immer mit einem fantastischen Kniff—das ist mein Schaden—aber immer über Väter die sterben.

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Der Soundtrack zu Parodius lief in letzter Zeit oft in meinem Hinterkopf.

spontane Schnecken

Teil der Blogaktion «Was machst Du eigentlich den ganzen Tag?».

Um 7:30 begann ich den Tag.
Die Frau und Kirby waren um 7:15 aufgewacht. Ich hatte die Beiden nicht mitbekommen, es war die erste Nacht seit langem, in der ich durchschlief.

Der ursprüngliche Plan — ein Besuch des technischen Museums — fiel aus; Kirby wollte nicht ohne einen Abstecher ins miniXplore dort hin, und der erste freie Termin war gegen 16:00.
Wir sattelten um. Kirby vermisst Kontakt zu anderen Kindern, wir hatten einen Einkauf zu erledigen und der Ikea hat eine … Kinderverwahrung die Kirby seit einiger Zeit besuchen will.
Wir verabschiedeten ihn und suchten unser Zeug zusammen.

In einem Schaufenster fand ich ein Verpackungsmotiv für einen Tee, das mir gefiel: ein Hahn, der mit einer Tasse in den Flügeln auf seinem Hügel sitzt und mit … melancholischer Zuversicht am Betrachter vorbeischaut.
Ich war froh darüber, nicht alleine einkaufen zu müssen. Beim betreten eines Bekleidungshändlers bin ich desorientiert, und seit die dort Angestellten Dresscodes haben — wenn das Flashdance/Road Warrior Ensemble der einen Dame ihre tatsächliche Kleidung war, dann hätte ich gerne nur ein μ ihres Selbstbewusstseins —, möchte ich nur in einer Ecke stehen, und diese beobachten.
Bei der Gelegenheit kaufte ich Kirby ein Super Mario T-Shirt. Das kann er beim Mario Kart spielen tragen. Ich bin neidisch auf die Jugend, was deren Angebot an Pop-Kultur referenzierende Kleidung angeht. Wir mussten unsere He-Man Pullover noch selbst stricken, und Spider-Man T-Shirts waren Bastelprojekte.

Als wir Kirby abholten, sahen wir durch das «Schaufenster» des Kinderbereiches alle Kinder auf einen Punkt schauen, den für uns nicht einsehbar war. Im Kopfkino lag dort ein abgetrenntes Körperteil eines anderen Kindes, während die Betreuenden um das Weiterleben des restlichen Kindes rangen.
Die Realität war ähnlich erschreckend: es lief Paw Patrol auf einem Fernseher, der in einer uneinsichtigen Ecke hängt. Ich hätte kontrollieren sollen, ob der Raum durch Spiegel und die Perspektive verschiebende Aufbauten so groß wirkt.
Für Kirby war es natürlich großartig, Chase wurde entführt, und sie schlafen in Kojen, Und Marshall hat ein neues Auto, und Zuma hat ein Beil mit dem sie eine Wand einschlug.

Auf dem Weg zurück kommen wir ‚drauf, dass wir auf den Wocheneinkauf vergaßen.
Weil wir es pädagogisch eh schon durchverschissen hatten, nahmen wir eine Tiefkühlpizza für Kirby und die Frau mit. Sie sagte später, dass die überraschend gut war. Kirby war begeistert davon Pizza zu essen.
Zur Nachspeise gab es selbstgemachtes Ananaseis.

Nach einem Bad für Kirby, währenddessen ich die Tagesnotizen aufholte, kümmerten wir uns ums Aquarium. Bei den Pflanzen schienen Schneckeneier gewesen zu sein, anders können wir uns die Beiden ungeplanten Bewohner nicht erklären. Das Co2 Ventil stand wieder einen Deut zu weit offen, und die Zeitschaltuhr schaltete wieder nicht ein. Der Grund war schnell gefunden: ich bin zu blöd um eine Anleitung zu verstehen; man muss die Tage, an den die Uhr schalten soll sowohl für die Ein- UND Ausschaltzeit einrichten.
Die Wasserwerte waren überraschend gut, noch die Nitritspitze abwarten, dann der erste Wassertausch und wir können uns nach Fischen umschauen.
Hier muss ich erwähnen, wie Kirby mich mit seiner Geduld begeistert. Ich würde verstehen, wenn er jeden Tag fragen würde, wann denn nun die Fische kommen.

Der Nachmittag war dunkel und verregnet.
Kirby malte ein Bild für den Geburtstag meines Bruders. Ich verpackte ein ungelesenes Exemplar von Sterankos[1] Nick Fury – Agent of SHIELD für ihn.

Wir spielten ein paar Spiele — Schneckenrennen; Tierestapel; Kugelbahn, wobei jede Kugel eine Persönlichkeit hatte und von den Wäscheklammern gerettet wurden, wenn sie in eine Schachtel rollten —, und danach hockten wir Drei mit Buntsriften auf allen vieren vor einer «Endlosrolle» mit nautischen Ausmalbildern.

Ich erglatzte wieder.

Die Frau braucht ein Medienabspielgerät, ich habe noch ein wenig Spielgeld, und ließ damit ein Gerät reservieren; das sollte ich kommende Woche unbemerkt abholen können, und sie damit überraschen.

Als Kirby durch sein Vulkanbuch schaute, hörten wir uns im Schnelldurchgang eine Reportage über den Umgang mit den steigenden Stromkosten an. Die Experten sagen durch die Blume: Wechselt halt zum billigsten Anbieter, aber darauf achten, dass im kommenden Juni die Strompreisbremse ausläuft. Dann werden wir uns da wohl einmal durch die Preise und Modalitäten arbeiten … müssen.

Vor dem Abendessen lasen Kirby und ich ein paar Geschichten aus den Ariol Comics. Inzwischen kennen wir die einzelnen Geschichten schon so gut, dass wir diese durcheinander lesen als einen Band nach dem anderen.

Kirby brauchte ein wenig Zeit um einzuschlafen.

Die Frau und ich schauten uns die Disney Version von Robin Hood an. Weil wir den vor Ewigkeiten das letzte Mal sahen, und Filme für Kirbys «Kinonachmittag» suchen. Die Geschwindigkeit des Films wird ihm wohl zu gemütlich sein. Wir waren überrascht zu erfahren, dass Peter Ustinov Prince John im englischen Original, als auch in der deutschen Synchronfassung sprach.

Der Kaiju — das Kaiju? — aus der aktuellen Ultraman Blazer Episode[2] gefiel mir gut, die Ultra Monster Figur dazu … naja, ist halt keine X-Plus oder CCP Qualität für den Preis zu erwarten. Aber Canaan hat was.

Ich verlief mich in einem Fachartikel über den Umbau von Kopfhörern für symmetrische Ausgänge, der mich bis weit nach Mitternacht beschäftigte. Die Frau schlief neben mir auf der Couch ein.
Ich wollte noch bei Foundation aufholen, aber die Serie fühlt sich in der zweiten Staffel mehr Science Fantasy an. War das in den Büchern auch so? Ist schon lange her…

1 … Ja, ohne Jim Steranko wäre das Ding optisch weniger opilent gewesen, aber der Vollständigkeit halber möchte ich erwähnen: er arbeitete nach Jack Kirbys Layouts.

2 … Bitte nicht in der englischen Synchronfassung schauen. Die ist … freudlos.

38,71

In den letzten Wochen kam ich täglich ein einem Erotik Shop vorbei. Der sperrte in den frühen 90ern auf, und war damals Bezirksgespräch; ein großes Ladenlokal, rote, große Beschilderung und eine Laufschrift, direkt neben einer Straßenbahnlinie, welche nicht nur an einem Amtsgebäude, sondern auch an einem großen Bahnhof vorbeikommt. Damals war ich weniger um die Verrohung meiner Seele besorgt, wenn ich an dem Geschäft vorbeikam, sondern was die Werbung mit »Barrierefrei« meinte. Muss man sich woanders erst einmal durch einen Hindernissparkour arbeiten, bevor man um viel Geld an seine Wichsvorlagen kommt? Hoffentlich stehen die Kalt- und Heißgetränke nicht am Beginn des Hindernisslaufs… Heute weiß ich, öha, die waren sehr progressiv für ihre Zeit. Von dem ist heute nicht mehr viel über. Da stehen noch ein paar Mannequins in den Auslagen, die aussehen, als würden sie einen Rave besuchen wollen, der … der Vorstellung eines Raves von christlichen Mittelschichtlern entspricht. Was mich allerdings seit ein paar Tagen beschäftigt ist die Werbebotschaft des Geschäfts, welche in den frühen 2000ern auf »Erotic Lifestyle« geändert wurde. Denkt der Durschnittsösterreicher, dass Erotik bedeutet, peinlich berührt, in billiger pseudo-Fetischbekleidung im finsteren Schlafzimmer zu stehen? Muss man für Erotik immer seine Nein-Neins betonen/zeigen/offensichtlich verhüllen? Erotik und Sexualiät ist doch etwas, dass die ganze Zeit stattfindet. Auch wenn wir nicht bewusst daran denken, erzeugt unser Körper Pheromone, Hormone usw.. Es ist kein Wunder, dass sich viele Heterosexuelle momentan bedroht durch »Andersliebende« fühlen, wenn sie vielleicht ihre eigene Sexualität nicht offen ausleben dürfen bzw. sich nicht trauen es zu tun.
Ich lernte aber, dass der durchschnittliche Österreicher annimmt, Schweinderl und Muh-Kuhli werden eines Tages im Feng-Shui Stall zu den sanften Klängen der Windspiele munter, fliegen auf einer Wolke in ein großes Gebäude, wo sie noch einmal ein Festmahl mit ihren Freunden — untermalt von der Best Of des Klangschalen Fritz — genießen, bevor sie gaaaanz müde werden, und friedlich einschlafen. Und während sie da rasten, zefallen sie auf Kotlets, die dann um 10cent pro Kilo auf unseren Tellern landen, frei von Anti- und Probiotika. Und pro Tier bekommt der Bauer eine Scheibtruhe voller Gold.

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Ich nehme vieles zurück, Kirby hört tatsächlich besser; und manchmal ist das erschreckend für ihn. Während eines Besuches in einem Wildtierpark erlebten wir je einen Streit in den Haus- und Wildschweingehegen, dessen Lautstärke ihn erschütterte. »Schweine können so laut sein?« fragte er uns.
In den letzten Tagen spielen wir beinahe täglich mit Figuren, und das Kleine Welt-Spiel zeigt, wie aufmerksam er ist. Wir richteten Käfige ein; betrieben Geo-Engineering; kauften in Kirby’s Geschäft ein; verarzteten diverse Wehwehs; die Pingunine fuhren Eis essen. Bei kassieren gefiel mir, dass er nicht einfach ein paar gerade Summen als Preis nannte, sondern noch ein paar Kommazahlen hinzufügte — 38,71 blieb bei mir hängen. Werden andere Kinder sicher auch sagen, und ich lobe meines über den Klee — das sagt man so, oder?

Sein Schlafverhalten ist momentan nicht deut- bzw. beeinflußbar. Es findet momentan wieder Entwicklung statt, und da schlief er immer unruhig. Man bemerkt nach ein paar Tagen dann, wie seine Feinmotorik sich verbessert, oder er Interesse an neuem zeigt.
Bei einem Abstecher zu einem Buchhändler marschierte er geradewegs zu den Comics, und schnappte sich einen Agentencomic auf dessen Cover jemand überfahren wird. Die Frau und ich überstürzten uns bei dem Versuch, ihm vor dem aufschlagen des Comics abzuhalten. Er entschied sich dann dafür, durch Simon & Louise zu schauen; was für sein Alter auch nicht geeignet ist, aber besser ist, als ein Spionageschinken. Simon & Louise habe ich in der englischen Fassung im Regal, zu Hause fand er es im Regal. Und dabei fiel ihm auch ein anderer Commic auf: Lehmriese lebt!. Das lasen wir dann bei 15 Mal. Jetzt weiß er ungefähr, was ein Golem ist.

Im Kindergarten gab es Probleme mit einem seiner Freunde. Der war wohl frustriert, weil seine Eltern gerade mit seinem Geschwisterkind beschäftigt sind, und sie ihn früher auch den Großteil ihrer Zeit vor dem Fernseher parkten. Das ließt sich wahrscheinlich wie ein Vorwurf, aber ich kann verstehen, dass die Eltern überfordert sind bzw. ihnen beruflich so viel abverlangt wird, dass sie in der Freizeit auch erst einmal eine Weile sitzen müssen. Das ganze klärte sich recht schnell auf, brauchte bis dahin aber ein paar verheimlichte Schläge und Zwicken und Stoßen. Und hier war es ein vertrautes Umfeld, in dem man über die Parameter bescheid wusste, und in dem die anderen Kinder deren Freund schützen, und dessen Verhalten stumm akzeptieren — bis eben einer nicht mehr konnte. Nun war es am Spielplatz so, dass da ein Kind Kirby ziemlich unfreunldich in die Wange zwickte. Zwar entschuldigte sich die Mutter bei mir, und ich denke dem Kind ging es nicht darum Kirby zu verletzten, sondern darum, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Es lächelte mich an als ich ihm mit erhobenem Zeigefinger die »Du Du« Geste zeigte. Hätte ich Kirby nicht anweißen sollen, sich zu wehren, zumindest ebenfalls ein Zwicken anzubringen? Die Frau sagt da immer, dass man die Kinder einfach machen lassen muss. Ja, man muss die Kinder machen lassen, aber am Ende der Rechnung sind es Kinder. Ähnlich trug es sich in meiner Kindheit zu, wenn ich von anderen geschlagen wurde, wurde mir verboten mich zu wehren, denn ich muss ja etwas gemacht haben, dass diese Handlung provozierte. Jetzt stehe ich da und raufe damit, mir für vieles die Schuld zu geben, auch wenn sie mir nicht zusteht, das möchte ich meinem Kind ersparen. Da werde ich wohl noch ein wenig mit der Frau darüber unterhalten müssen.

Der Spielplatz war auch ein Panoptikum der Existenzen: auf der einen Seite die Eltern die nur vom Job sprachen, morgen Projekt hier, dann ein paar Tage in der Flat in London, von dort nach Dubai wegen eines Projekts, und dann ist da ja noch das Haus in Spanien wo man zumindest einmal den Postkasten ausleeren könnte; und auf der anderen Seite ein Vater, der sein Kind mit „Gib mir 20 du Bitch.“ zu Liegestützen motiviert.

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Im professionellen Alltag trafen neue Kollegen ein. Einer davon hat das Handwerk bei uns ver … gelernt, und man merkt: seit er den schoß der beruflichen Eltern verließ, gewann er einiges an Erfahrung. Deswegen muss man ihm erst wieder vermitteln, dass bei uns der Rhytmus der Trommel ein anderer ist. Was mich überraschte ist, wie wenig neues fachliches Wissen er mitbrachte. Das soll nicht heißen, dass er unqualifiziert ist, sondern wieviele Arbeiten in der großen Welt von eigens qualifiziertem Personal verrichtet wird. Und er verlässt seine Arbeitsplätze chaotischer als bei seiner Ankunft. Ich rief ihm am Ende der ersten Arbeitswoche an, und sagte ihm, er solle sein Zimmer aufräumen.
Und dieser launisch formulierte Ordnungsruf drückt ein Problem aus, dass ich momentan am Arbeitsplatz habe: ich bin eine Art Abteilungspapa. Schauen wir einmal wo sich das hin entwickelt.
Beim neuen neuen Kollegen … schauen wir einmal. Ich denke, der muss sich einfach erst bei uns einfinden, und dann wird das schon laufen.

Ich bin im Moment … es fühlt sich an, als würde mich etwas festhalten. Sowohl meinen Körper als auch meine Gedanken. Vielleicht bin ich einfach nur erschöpft. Erschöpfter.

Einer muss es ja sein


[ journal ]

Ein Lehrling wurde vor kurzem zum Kollegen befördert, und als „Gratulation“ durfte er mir gleich eine große Materiallieferung zusammenstellen, weil ich kurzfristig einen Umbau vermittelt bekam. Die Sache wäre eigentlich recht einfach zu bewerkstelligen, wenn der Kunde nicht darauf bestehen würde, teile seines Inventars zu benutzen—wir hätten es ohnehin nicht in Rechnung gestellt, aber was solls.
Ich setzte mich also nachts an den Umbauort, bereitete schon vor was möglich war und schrieb ein paar Notizen dazu für die Tagschicht auf.
Und alles wurde umgeworfen weil ein Kollege der Audiologen meinte „Ein 16A CEE Anschluss gibt ja 11kW her, wieso brauchen wir dann so viele Anschlüsse?“ und der Tagschichtkollege meinte „Ja, da hast du volkommen Recht.“ „Aber nicht auf jedem Anschluss.“ vergaß er in dem Moment anzufügen. Jedenfalls ist mein Plan, von einzeln abgesichterten Stromkreisen dahin … wozu tue ich mir die Scheiße noch an? Mir ist bewusst, keiner der Stromkreise wird voll belastet sein; wenn dann aber einer, wegen was auch immer, ausfällt, ist das Problem mit einem Blick zu sehen.
Aber so war die Geschichte einfacher zu bauen. Wenigstens stand der Mist schon, als ich Abends den Dienst antrat. Meine Materialbestellung war damit für den Hugo…

Der fachkundigere Kollege war letztens auch darüber erstaunt, wie ein FI sich verhält wenn Erde und Nullleiter aneinandergeraten.
Ich weiß auch nicht alles … aber der Kerl hat Großanlagen entworfen und gebaut.

Beim nächtlichen Marsch nach Hause, sah ich wie der Betreiber eines Geschäfts—jedenfalls vermute ich, dass er dies war—die unbenutzte Fläche alternativ nutzte: er reparierte Motorräder. Über die ganze Fläche des Geschäftslokal waren Werkzeug und Teile rund um zwei Motorräder verteilt. Der Mechaniker wirkte gelassen. Oder wollte er nicht vor mir durchdrehen; nein, bleiben wir bei gelassen. Einer muss es ja sein.