Uringlas?!

journal

Im vorbeigehen sah ich an der Tür des hiesigen Flagship Stores eines Anbieters für Pyrotechnik den gesamten Gesetzestext für die Abgabebestimmungen seiner Waren aushängen. Am Ende war ein Handgeschriebener Zettel angebracht der die Seiten an Kleingedrucktem zusammenfasste: Kein Ausweis, keine Ware.

+++

Der Vertreter meiner Sterbeversicherung meldete sich. Das Angebot müsse dringend überarbeitet werden. Einen Termin zu finden, an dem man zumindest eine halbe Stunde Luft hat ist nicht mehr so einfach, vor allem, wenn man nicht mehr gewillt ist, Versicherungsleute in seine Wohnung zu lassen.
Umso mehr ärgerte mich, dass es am Ende nur darum ging, meine Beiträge zu erhöhen. Menschlich meinte der Vertreter es sicher gut mit mir, er wollte aber auch nicht verstehen, wie ernst es mir damit ist, dass meine Überreste so billig wie möglich entsorgt werden sollen, und ich es mir sehr ernst ist, Anonym auf einer der dafür gewidmeten Wiesen verscharrt zu werden.
Nach Rücksprache mit einem Bestattungsunternehmen, welches dies Anbietet stellte ich fest, meine Versicherungssumme deckt knapp drei Begräbnisse dieser Art ab. Die Leich[1] ist also auch schon bezahlt.

+++

Ein Kollege kam auf die Idee, ein Dosimeter in sein geerbtes Uranglasgeschirr zu stecken. Auch wenn die Werte nicht gefährdend hoch waren brachte er das Geschirr zur Entsorgung. Davor durften wir es freundlicherweise mit einer Schwarzlichtlampe beleuchten.

[1] Leich = Leichenschmaus

Symptome

Covid19 ist eine spannende Krankheit. Ich bin noch immer positiv, mit niedrigem CT Wert, während die Frau nach zwei Tagen negativ war. Meine Stimme kehrt inzwischen für ein paar Stunden am Tag zurück. Meine Haut – vor allem auf Armen und Beinen – hörte auf zu melden, sie brenne. Was noch gemeldet wird, sind tränende Augen, obwohl sie dies nicht tun. Meist kommt dies mit einem Gefühl von schweren, warmen Augäpfel.
Ansonsten ist da noch die Rotznase; der Verlust des Geschmacks- und Geruchssinn – was mit der Rotznase zusammenhängen könnte –; und der Eindruck, 50kg schwerer zu sein.

Vielleicht ist es an der Zeit, beim Bestatter vorbeizuschauen? Ich fand einen, der die Asche des Kunden auf einer Lichtung beerdigt. Die Idee gefällt mir, weil man «unauffindbar» ist. Wenn jemand der Wunsch reitet, sich vor meine Reste zu stellen, kann man es mit einem Spaziergang verbinden und muss sich mit der Natur auseinandersetzen, welche den Platz übernehmen, und mich verschwinden lassen wird.

Druckstelle: durchgeschwitzt

Seit ein paar Tagen sind nun die neuen Arbeitsschuhe meine primäre Fußbekleidung. Und zum Glück sind sie—bis auf eine Stelle—angenehmer zu tragen als mein letztes Paar. Dabei handelt es sich um dasselbe Fabrikat.
Aber ich darf mich nicht beschweren…zum Vergleich mit dem Zustand in dem die Schuhe vom Hersteller mit dem Laufvogel meine Füße hinterlassen haben, ist die eine schmerzende Stelle ein Witz.

Mir fiel aber nach dem ersten Anziehen wieder auf: in den Barfußschuhen ist man einfach freier und die Fortbewegung fühlt sich natürlicher an—und ich meine dies frei von jeglicher esoterischer Prägung.

+++

Ich sprach letztens von dem, mit neuen Aufträgen gefüllten Arbeitskalender. Das erledigte sich auch wieder. Nur bekommen wir die Stornierungen komischerweise nicht mehr in unserer Planungssoftware vermerkt, sondern müssen in die Detailansicht der Kalendersoftware. Dies ist unfair, man muss eventuell Kinder versorgt wissen.
Dazu schwenkte das offizielle Österreich wieder die Windmaschine, und anstatt „Licht am Ende des Tunnels“ heißt es momentan „Hoppala, das waren die Lichter des Gegenverkehrs.“
Was mich daran—den Stornierungen—enttäuscht ist, dass ich davon bereits im Juli sprach, und nur „Geh bitte, verschon uns mit deinen Schauergeschichten.“ als Antwort bekam. Nun fragen diese Leute, ob man mit unseren Kündigungen noch bis zum Ausgang der Gemeinderatswahlen im Oktober wartet, um unsere Gunst nicht zu verlieren. Ich habe das auch gedacht, aber ich wollte es nicht aussprechen.
Ein paar Sachen im Oktober wurden nicht storniert. Abwarten…
Ich trage die Arbeitsschuhe einmal weiter ein, bis ich diese eine Druckstelle durchgeschwitzt habe.

+++

„Wollen sie denn wirklich sterben?“
„Nein, aber ich kann nichts mehr geben und will nichts mehr nehmen. Was ist die Alternative?“

Ich habe mich wieder an das Verfassen einer Nachlassschrift gesetzt. Und einen Bestatter gefunden. Das Begräbniswesen ist eine komisch organisierte Branche, die sich vor neuem Schützt, aber langsam Risse in der Mauer bekommt.

#98-2019

wer bastelt mit? | Vaterfreuden | die Allgemeinheit | Lego Bestatter

Der Umbauwahnsinn ist weitergegangen. In unserem Taumel haben wir ein neues Schuhregal angeschafft und aufgestellt; Kirby hat ja inzwischen auch „Straßenschuhe“.
Dazu ist uns eingefallen, die Jalousien auf Plissees zu tauschen; weils einfach schöner ist. Das Teststück gefällt uns, wir werden nur eine nicht so dichte Ausführung verbauen.

Eine Erziehungsfrage hat sich aufgetan: wie reagieren wenn Fremde Kirby berühren? Im konkreten Beispiel war es für ihn ok, aber die Frau und ich sind schon die Hände ausgekommen gewesen. Ich würde mich nicht trauen ein mir fremdes Kind in der Öffentlichkeit auch nur anzutapschen weil mir bei dessen Anblick der Vater auskommt. Denn ich habe es schon erlebt, dass Erziehende -vor allem Mütter- dafür kritisiert worden sind, wenn sie solche Leute auf ihr Handeln aufmerksam gemacht haben. Ich sehe schon ein, da spielt Zurückweißung eine Rolle; aber Kinder sind kein Selbstbedinungsladen für gekränkte Menschen die sie nicht kennen.

Die lokale Bestattung verkauft Lego Sets um den Umgang mit deren Arbeit begreifbar zu machen[1]. Gute Idee, aber eine Therapie ist billiger.

fußnoten

  1. Lego Bestattung |shop.bestattungsmuseum.at