8mar20

Bei einem Spaziergang habe ich zum ersten Mal jemanden beim Drohnentraining mit VR-Brille gesehen. Ein interessanter Anblick. Von hinten sah es so aus, als hätte die Person das Fluggerät per Gehör gesteuert. Der Weg, den wir entlangspaziert sind, hat um das Trainingsgebiet herumgeführt, weswegen ein paar Minuten später das Trainingsgerät klar erkennbar war. Die einzige, mit freiem Auge, wahrnehmbare Bewegung der Person, war die ihrer Finger – wenn man diese ignoriert hat, wirkte es als wäre der Geist in der Maschine, und der Körper ein führerloses Fahrzeug in Parkstellung.
Die unheimliche Atmosphäre der Situation ist wahrscheinlich durch die blockierte Einsicht auf die Augen der Person zu erklären. Bei anderen Konzentrationsaufwendigen Betätigungen sieht man Menschen den Fokus zumindest an.

Vaterfreuden

Kirby beginnt die Anwesenheit der Frau zu vermissen. Jedenfalls nehmen wir das an.
Oder es steht ein Entwicklungssprung auf dem Programm.
Oder die restlichen Zähne kommen.
Oder ein Wachstumsschub kündigt sich an.
Oder er hatte ganz einfach einen schlechten Tag.
Ich habe mich Vormittags für ein paar Momente alleine hinsetzen müssen, um mich zu beruhigen. Den Rest des Tages habe ich meine Frust in eine Faust gedrückt, tief durchgeatmet, und dann mit der mir zur Verfügung stehenden Sanftheit gefragt, wie es Kirby geht. Der Arme kann nichts dafür, er kann sich eben nicht anders ausdrücken.
Beim Malen hat er die Stimmung zum Ausdruck gebracht – mit viel schwarzer Farbe die er wie Wolken auf dem Papier aufgebracht hat. Mit den schwarzen Händen wirkte er, als würde er Handschuhe tragen.

Fotografie

Nachmittags habe ich mir die Yashica Electro 35[1] geschnappt, um den Film darin – Ilford hp5 400 +1 – komplett auszubelichten. Der liegt da auch schon seit drei Monaten drin und wird dadurch nicht besser.
Es ist spannend, wie analoge Fotografie mein Sehen verändert. Digitalkameras sind als Dokumentationswerkzeug großartig. Man kann viel freier damit agieren – analoge Fotografie zwingt einen in ihr Korsett, was durchaus befreiend sein kann. Als wir beim spazieren in einer Gegend angekommen sind, in der man den Architekten und Objektplanern anscheinend die Leine verlängert hat, ist mir wieder aufgefallen, „wie Licht aussehen kann“. Die Motive könnten entwickelt alle beschissen aussehen – werden sie wahrscheinlich, ich verlasse mich doch auf einen, über Adapter batteriebetriebenen Lichtmesser, der älter ist als ich, und vergesse immer darauf, dass ich die Belichtung bei der Kamera noch über die Blende und Filmempfindlichkeit beeinflussen kann –, aber das Gefühl des bewussten Sehens von Architektur und Mustern war schön. Zeitweise meinte ich, die Planung des Areals verstanden zu haben – wieso man das Gebäude so dahingestellt hat, und wie es das Auge durch die Szenerie führt. Wahnsinn was Menschen so alles bauen. Ästhetik und Sinn sind Streitthemen, sie bieten einem aber schöne Motive – nein, ich meine nicht welche zur endgültigen Beendigung eines Streits.


fußnoten

[1] Yashica Electro 35
–en.wikipedia.org

6mar20

Wieso behandeln wir Frauen und deren Leistungen mit zu wenig Anerkennung? Jeder Mann hat Geschichten, in denen er davon erzählt worauf seine Mutter oder Großmutter nicht alles verzichtet, und welche Hindernisse Sie für einen Überwunden und Lasten auf sich genommen hat. Also wieso lassen wir alleinerziehende Mütter—und natürlich auch Väter—allein Erziehen? Wieso lassen wir die Verbale und optische Herabwürdigung und Reduzierung der Frau in der Popkultur in dererlei Ausmaß zu?
Scheiße, das heißt ich müsste aufhören Superheldencomics aus den USA zu lesen…

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Die Gründe für die Frau, mir Kirby ganztags zu überlassen sind momentan nicht so schlimm wie angenommen.


Gedankenpfad zu Vaterschaft

Beim reinigen des Geschirrs ist mir Captain Fantastic[1] eingefallen. Der Film hat mir klar gemacht, in welcher beschissenen Verfassung ich und die Gesellschaft eigentlich sind—den er hat keinen Protagonisten. Hmm, die Kinder vielleicht, aber die sind ja nur der Spielball der beiden Parteien, die in Konflikt stehen. Jedenfalls ist es egal wie wir Leben, es ist eine Grauzone.
In dem Film spiel Frank Langella mit, und als ich dessen Filmographie durchgedacht habe, bin ich auf Superman Returns gestossen. Der Film ist ja ein geistiger Nachfolger der Superman Filme mit Chrisopher Reeve in der Titelrolle—und da hat Marlon Brando zwei Reden gehalten, die mir damals wie heute die Gänsehaut über den Rücken treiben:

You will travel far, my little Kal-El. But I will never leave you. Even in the face of my death the richness of my life shall be yours. All that I have learned, everything I feel, all of this and more I have bequeathed to you my son. You shall carry me inside you all your days. You will make my strength your own, see my life through your eyes, as your life will be seen through mine. The son becomes the father the father becomes the son. This is all that I can send with you , Kal-El.

Marlon Brando als Jor-El in Superman (1978)

Die zweite Rede ist zwar für einen Genrefreund wie mich interessant, aber die letzten paar Absätze sind eine für mich verständliche Allegorie auf die Erziehung eines Kindes:

The total accumulation of all knowledge spanning the twenty-eight known galaxies is embedded in the crystals which I have sent along with you.
Study them well, my son. Learn from them.
By the time you return to the confines of your galaxy, twelve of your years will have passed.
For this reason among others, I have chosen Earth for you.
It is now time for you to rejoin your new world and to serve its collective humanity.
Live as one of them, Kal-El
Discover where you strength and your power are needed
Always hold in your heart the pride of your special heritage
They can be a great people, Kal-El, they wish to be
They only lack the light to show the way
For this reason above all, their capacity for good,
I have sent them you, my only son.

Marlon Brando als Jor-El in Superman (1978)

Wir tun unser momentan Bestes, um einen Sinn für das Leben zu vermitteln—um eine Möglichkeit zu zeigen wie man die Welt für sich ordnen kann—bevor wir Kinder hinaus in die Welt schicken. Es ist nicht so als würde man z.B. ein Buch veröffentlichen. Wir schicken mehr als nur Gedanken in den Äther—wir schicken unser eigen Fleisch und Blut in der Hoffnung, dass sich jeder daran erinnert, selbst als Hoffnung in die Obhut der Welt gegeben wurde.
Diesen Akt erleben zu dürfen ist ein vergessenes Privileg, viele Menschen werden von der Welt in ihren Sog geworfen…

Beim Wäsche aufhängen habe ich einen Podcast gehört um meine Gedanken lenken zu lassen.

Totenstellung

Beim Yoga bildet die Totenstellung meißt den Abschluss einer Reihe. Man legt sich dabei nicht einfach nur hin und spielt den Toten, eine gewissen Haltung muss dabei gewahrt werden: der untere Rücken bleibt nach Möglichkeit gestreckt, die Halswirbelsäule ebenso, Arme sind vom Körper und Beine voneinander entfernt.
Nun versucht man, seinen Körper von der Haar- bis zur Zehenspitze zu durchleuchten—was spielt sich gerade ab, Druck, Schmerz, Verspannung, sowohl im Geist als auch im Körper.
Ich mochte das. Und vor ein paar Tagen nachdem ich mich zum einschlafen umgedreht habe, habe ich festgestellt: Papa, du bist auch beim schlafen verspannt. Und da ist mir die Totenstellung wieder eingefallen.
Und bisher hat es sogar zwei Mal etwas genutzt. An der Zeit zum einschlafen hat sich subjektiv nichts verändert, aber zu erkennen wo eine Spannung sitzt, hat mir die Möglichkeit gegeben sie loszulassen.
Ich habe ganz vergessen wie locker ein Kiefer sein kann.


vorbeigelaufen

100 Millionen Euro Überbrückungskredit für Tourismus wegen Corona
–derstandard.at
Puh, zum Glück hat man doch noch eine alternative Veranlagungsform für die Summe gefunden. Am Ende wäre es noch für den Zivilschutz oder—und da muss man jetzt stark sein—humanitäre Hilfe in Krisengebieten ausgegeben worden.
Da feiert man die selbst Ständigen als Pfeiler der Gesellschaft, mutige Pioniere, welche mit den höchsten Idealen vorpreschen und ihre Nachzügler immer spüren lassen, wer die Zügel in der Hand hält— und dann sind es die Ersten, die bei Mama um Hilfe rufen, wenn es Probleme mit Mindestlohn, Arbeitnehmerrechten und Klima-, oder Demographieveränderungen gibt.


fußnoten

[1] Captain Fantastic (film)
–en.wikipedia.org

#132-2019

Vaterfreuden | (v)Erziehung

Man lässt auch zu Recherchezwecken keine Comics herumliegen. Kirby war gerade am durchblättern seiner Bücher, da ist er in einem Moment elterlichen Aufsichtsmangels auf Papas Lesestapel aufmerksam geworden. Zum Glück habe ich mir die Trades und nicht die Absolute Edition hingelegt.
Jedenfalls, hier ist das Cover.

batman-and-robin-trade3-cover
Batman and Robin deluxe ed. vol.3: Batman and Robin must die! Cover
Rechte liegen beim Inhaber

Und hier der Kontext[1].
Die Frau meinte, dass er sich wenigstens fragwürdigen Inhalt von Frazer Irving gezeichnet[2] angeschaut hat. Frustriert ist er wegen der dünnen Seiten gewesen, er hat die notwendigen motorischen Fähigkeiten, aber wehe es dauert einmal zu lange -oder wie in diesem Fall: der Einband noch sehr steif ist weil ich das Ding nie gelesen habe und das Papier sehr glatt ist.

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fußnoten

  1. A death in the family |en.wikipedia.org
  2. Frazer Irving imagesearch | duckduckgo.com

#98-2019

wer bastelt mit? | Vaterfreuden | die Allgemeinheit | Lego Bestatter

Der Umbauwahnsinn ist weitergegangen. In unserem Taumel haben wir ein neues Schuhregal angeschafft und aufgestellt; Kirby hat ja inzwischen auch „Straßenschuhe“.
Dazu ist uns eingefallen, die Jalousien auf Plissees zu tauschen; weils einfach schöner ist. Das Teststück gefällt uns, wir werden nur eine nicht so dichte Ausführung verbauen.

Eine Erziehungsfrage hat sich aufgetan: wie reagieren wenn Fremde Kirby berühren? Im konkreten Beispiel war es für ihn ok, aber die Frau und ich sind schon die Hände ausgekommen gewesen. Ich würde mich nicht trauen ein mir fremdes Kind in der Öffentlichkeit auch nur anzutapschen weil mir bei dessen Anblick der Vater auskommt. Denn ich habe es schon erlebt, dass Erziehende -vor allem Mütter- dafür kritisiert worden sind, wenn sie solche Leute auf ihr Handeln aufmerksam gemacht haben. Ich sehe schon ein, da spielt Zurückweißung eine Rolle; aber Kinder sind kein Selbstbedinungsladen für gekränkte Menschen die sie nicht kennen.

Die lokale Bestattung verkauft Lego Sets um den Umgang mit deren Arbeit begreifbar zu machen[1]. Gute Idee, aber eine Therapie ist billiger.

fußnoten

  1. Lego Bestattung |shop.bestattungsmuseum.at