telefonfreier Vormittag

Teil von: Was machst du eigentlich den ganzen Tag?

Kirby rief nachts nach einem von uns. Die Frau ließ mich schlafen und legte sich zu ihm. Er hatte eine Hand zum halten gebraucht.
Der Tag begann für Kirby und mich um fünf Uhr. Er kam erst einmal zu mir ins Bett und wir kuschelten ein wenig. Die Frau und er machten sich flotter als üblich für den Alltag fertig; wir trödelten alle drei, nur hatte ich den Luxus der Krankmeldung auf meiner Seite.
Als die Beiden das Haus verlassen hatten, »reinigte« in Ruhe meinen Rachen mit einem Spray, röcheln, husten und lesen—Do no harm von Henry Marsh. Dem folgte die Niederschrift der Tagesnotizen.
Trotz des Schwindels und Druck im Kopf erledigte ich den Rest der Hausarbeit. Dabei ließ ich das Staubtuch wieder einmal durch die nicht leicht zugänglichen Ecken der Wohnung wischen lassen. Während der Tätigkeit rief meine Mutter an um zu fragen, ob wir jemanden brauchen, der beim anstehenden Streik der Pädagogen auf Kirby achtet. Es ist interessant, dass meine Eltern sich nicht trauen, die Frau mit solchen Fragen anzurufen. Eigentlich sollte ich wissen ob die Betreuung geregelt ist, mir lag die Antwort in dem Augenblick aber nicht in abrufbarer Form vor; wie bei so vieles, war da nur die Silhouette einer Information, deren Form sich ändert, wenn immer mein geistiges Auge sie ansieht. Außerdem beklagte ich mich bei meiner Mutter über meine letzte Erfahrung beim Hausarzt—»Ich vertrage diese Medikamente nicht.« »Sie wirken heute viel zu Gesund für Medikamente, erholen sie sich einfach.«—und das Gefühl … geschasst zu werden. Es geht mir momentan schlecht. Ich weiß nicht wo der Funken herkommt, der den Motor in Bewegung hält… Und es scheint auch niemanden zu interessieren bzw. soll ich mich einfach zusammenreißen. Das Übliche.
Das Gespräch riss ab, und ich konnte den restlichen Vormittag kein Telefonat mehr führen; das Gerät schaffte es, SMS zu versenden, telefonieren wurde mir bis in den frühen Nachmittag verwehrt.

Nach Erledigung der Hausarbeit gab ich der Depression nach, und legte mich auf die Couch. Hintergrundlärm ist dabei irgendein Fernsehfilm den ich mir auf einen Bildschirm lege. Die Gedanken kreisen ums kreative Schreiben und Löcher in einer der Geschichten mit denen ich schon seit Monaten schwanger gehe. Ich brach die Ruhephase frustriert ab, denn es stellte sich weder Ruhe, noch fielen mir Lösungen ein. Ich laß ein wenig bei Henry Marsh weiter.
Nach einer Mahlzeit machte ich mich bereit, Kirby abzuholen. Währenddessen kehrte der Schmerz unter dem rechten Rippenbogen zurück; etwas das mich gestern bei einem Spaziergang in die Knie zwang. Nicht mehr in der Intensität wie gestern, aber genug um meine Gedanken auf meinen verfallenden Körper zu konzentrieren.

Kirby zeigte mir sein neues Bild, welches er sogar unterschrieb. Er schrieb seinen Namen aus dem Gedächtnis! Er stellte mir eines der neuen Kinder vor, und beschwert sich dabei, dass es so oft weint. Ich erklärte ihm, dass es erst ein Jahr alt ist, und die Trennung von seinen Eltern dementsprechend schmerzhaft ist, etwas das Kirby erst erlebte als er älter bzw. unsere Beziehung gefestigter war.
Im Aufzug erzählte mir Kirby, er arbeitete bereits, als er in Mamas Bauch war.

Kirby bekam ein wenig Schokolade Eis, das er bei einer Episode Dora the Explorer aß.
Er wollte eine der Aquaperlen Figuren legen. Yoshi aus dem Super Mario Franchise wurde es. Ich musste ihn dabei Filmen, weil mich seine Geduld und Konzentration beeindruckte. In letzter Zeit ist er in Beidem sprunghaft, aber hier war er konzentriert wie ein Laserstrahl. Dafür gabs eine weitere Episode Dora.
Als die Frau nach Hause kam, buken die Beiden einen Schokolade-Bananen Kuchen.
Weil wir alle müde waren, spielten wir noch eine Runde Mario Kart—allerdings laß ich ihm davor noch ein Drache Kokosnuss Buch vor, die Konsole bestand darauf, dass deren Batterie einen Gewissen Ladestatus aufweisen muss, bevor sie ihren Dienst startet. Nach ein paar Runden, spielte Kirby noch eine paar Minuten Abzu.
Nach dem Abendessen laß ich ihm ein zweites Buch aus der Reihe vor.
Und eine Geschichte aus einem Ariol Comic bevor ich ihn ins Bett brachte.

Dazwischen erkundigte sich die tolle Kollegin nach meinem Gesundheitszustand. Bei der Gelegenheit brachte sie mich auf den neuesten Stand, was den Status am Arbeitsplatz angeht. Es ist kompliziert und deprimierend. Es wird heuer wieder Mitarbeiterfeedback Gespräche geben. Es wird schwer, positive Dinge zu finden, die man erwähnen kann … das Gehalt kommt pünktlich. Immerhin.
Der ernste Kollege scheint sich nach wie vor nicht für die Arbeitsabläufe zu interessieren, sondern möchten den Laden anzünden und nach seinen Vorstellungen neu aufbauen.

Auf der Couch las ich durch einen Teil des dritten Bandes von Dead Dead Demon’s Dededede Destruction, ein—bisher—großartiger Manga von Inio Asano, über das tagliche Leben einer Gruppe japanischer Schülerinnen und der Menschen in deren Leben in einem Japan über dem ein UFO schwebt, gegen das ein »langsamer Krieg« geführt wird. Fühlt sich sehr aktuell an, da starten die Kinder gerade ins Leben, und im Hintergrund bauschen sich diverse Situationen weiter auf, die deren Leben stärker lenken könnten, als ihnen bewusst ist. Leider gibt es den Manga digital nur auf Deutsch.

Beim abendlichen Gespräch mit der Frau erschraken wir, als plötzlich eine Gelse an uns vorbeiflog. Wir versuchten sie nach draußen zu leiten, in dem Prozess verlieren wir ihre Spur.
Im Bett bildeten wir uns ein, das Fluggeräusch des Insekts zu hören. Unsere parallel auftretenden Vermutungen, einen Stich zu spüren, brachten uns zu dem Ergebnis, dass die Gelse uns wohl nicht ins Schlafzimmer gefolgt war. Im Anschluss erschrak ich noch einmal, weil ich vergaß Milch im Karton zu kaufen, weil Kirbys Kindergarten daraus Laternen bastelt. »Wir haben nur Milch im Karton.« erinnerte mich die Frau. Puh.
Vor dem umdrehen laß ich die Nachrichten. Dies verstärkte das Gefühl, die Familie zusammenzupacken und abzuhauen zu wollen. Aber wohin? Es scheint das die ganze Welt sich gerade wieder an den 1920ern orientiert, anstatt an den 2020ern. Mein Vater sagte einmal zu mir, dass die Leute viel zu intelligent wären für politische Blödheiten, und immer intelligenter werden. Er hatte nicht erwähnt wo dies der Fall sei.
Gegen halb zehn drehte ich mich zum schlafen um.

4 Kommentare zu „telefonfreier Vormittag

      1. Ich mache es gerne, kann aber nicht gut vorlesen. Das wird schnell eine Predigt, sehr gleichförmig.

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